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Han Ying zieht ins Tischtennis-Finale.

© dpa

Olympia 2016 in Rio: Tischtennis: Han Ying bringt deutsches Team ins Finale

Han Ying bringt Deutschland ins Teamfinale beim Tischtennis. Zuvor machte sie das Halbfinale gegen die Japanerin Ai Fukuhara aber noch einmal richtig spannend.

Von Christian Hönicke

Um kurz vor Mitternacht Ortszeit flog ein Tischtennisschläger in hohem Bogen durchs Messezentrum von Rio. Er gehörte Han Ying, die ein paar Meter weiter am Boden lag. Die gebürtige Chinesin in deutschen Diensten hatte soeben die Japanerin Ai Fukuhara niedergerungen. „Das war das Spiel meines Lebens“, sagte Han Ying später. „Ich bin zehn Jahre älter geworden.“

Sie hatte gerade Historisches vollbracht und die deutschen Tischtennisspielerin ins Finale des Teamwettbewerbs geführt. Und damit auch zur ersten Medaille bei Olympischen Spielen überhaupt. „Ich bin völlig erschöpft, ich habe fast geweint“, sagte Bundestrainerin Jie Schöpp. „Ich habe das als Spielerin nie erreicht, jetzt habe ich es als Trainerin geschafft.“

Alles lief auf einen dramatischen Höhepunkt hinaus

Ein dramatischer Mannschaftskampf war im dramatischen fünften Spiel des dramatischen fünften Satzes kulminiert. Gegen die leicht favorisierten Japanerinnen hatten die deutschen Frauen im Halbfinale in vier der fünf Spiele über fünf Sätze gehen müssen. Einen großen Anteil am erfolgreichen Ausgang hatte Petrissa Solja, die einzige nicht in Asien geborene Spielerin im Halbfinale überhaupt.

Die 22-Jährige vom TTC Eastside aus Berlin hatte ihr Auftaktmatch gegen das 15-jährige Wunderkind Mima Ito gewonnen. Dabei hatte sie im fünften Satz schon 3:9 zurückgelegen. Doch dann begann Solja eine beeindruckende Aufholjagd und gewann noch 12:10. „Ich habe einfach mit Herz gespielt, auch als ich hinten lag versucht, jeden Ball auf den Tisch zu kriegen“, sagte sie. „Mit dem 1:0 habe ich uns Hoffnung gegeben, dass wir es wirklich schaffen können.“ Im Doppel holte Solja an der Seite ihrer Vereinskollegin Shan Xiaona, die ebenfalls aus China stammt, den zweiten Punkt für das deutsche Team – ebenfalls in fünf hart umkämpften Sätzen.

"Zuschauen ist viel schlimmer als selbst zu spielen"

Nach dem Ausgleich der Japanerinnen aber musste Solja im finalen Spiel hinter der Bande bleiben. Im Teamwettbewerb darf jede Spielerin nur zweimal antreten. Also feuerte sie Han Ying gegen die japanische Fanübermacht hinweg an. „Das Zuschauen ist noch viel schlimmer als selbst zu spielen“, sagte Solja. „Man stirbt echt auf der Bank. Das heute war mit Abstand das Krasseste, was ich bisher im Tischtennis erlebt habe.“

Gegen Ai Fukuhara führte die Defensivspezialistin Han Ying im fünften Satz bereits 7:3. Dann gewann die Japanerin sechs Punkte in Folge und führte plötzlich 9:7. „Ich habe nur ganz kurz gedacht, jetzt geht es nicht mehr, aber das habe ich sofort wieder weggeschoben“, sagte Han Ying. „Ich habe gedacht: Sie braucht noch zwei Punkte, um zu gewinnen.“

Doch Fukuhara gewann keinen Punkt mehr. Der Matchball setzte dem zähen Ringen nach vier Stunden auf die knappestmögliche Weise ein Ende: Han Yings Rückhandslice fiel in hohem Bogen auf die Tischkante und von dort auf den Boden. Die Japaner protestierten vergeblich, noch Minuten später stand Fukuhara fassungslos am Tisch und blickte auf die Kante.

"Ich hatte vorher das Gefühl, dass wir gewinnen"

„Manchmal ist das komisch, irgendwie hatte ich schon vorher das Gefühl, dass wir gewinnen“, sagte Jie Schöpp danach. Im Finale am Dienstag wird es wohl gegen die alte Heimat gehen, alles andere als ein Sieg der hoch favorisierten Chinesinnen im zweiten Halbfinale heute gegen Singapur wäre eine Sensation. „Ich will das jetzt genießen, ich will noch gar nicht ans Finale denken.“

Da war Han Ying schon einen Schritt weiter. Sie hatte ihren Schläger gerade in der anderen Hallenecke wiedergefunden. „Den brauche ich noch, fürs Finale“, sagte sie. „Die Silbermedaille haben wir jetzt. Aber ich will die Farbe noch verändern – auf Gold.“ Sie grinste, wie man eben nach dem Spiel seines Lebens grinst. „Eine Chance ist immer da, auch gegen China.“

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