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Sport: Olympia ohne Gesicht

In Leipzig soll Michael Groß nicht als Geschäftsführer anfangen – und Manager Thärichen darf nicht mehr weitermachen

Berlin. Irgendwann am Nachmittag bekam Michael Groß einen Anruf aus Berlin. Nach dem Telefonat war der Olympiasieger nicht mehr das, was er eigentlich gern sein wollte: Geschäftsführer der Leipziger Bewerbungsgesellschaft für Olympia 2012.

Dirk Thärichen bekam keinen Anruf aus Berlin. Trotzdem verlor er die Hoffnung darauf, das zu bleiben, was er eigentlich bleiben wollte: Geschäftsführer der Leipziger Bewerbungsgesellschaft für Olympia 2012.

Es war wieder kein glücklicher Tag für die deutschen Olympiapläne. Dabei hatte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Spitzen der Sportpolitik in seinen Amtssitz geladen, um mit ihnen über die Zukunft der Bewerbung zu sprechen. Die Debatte um Thärichen, der wegen Stasi-Vorwürfen in die Kritik geraten war, sollte beendet werden. Und die Inthronisierung seines Nachfolgers sollte vorbereitet werden: Michael Groß als neues Gesicht der Bewerbung und Symbol des Neuanfangs. Doch daraus wurde nichts. Nun sagt Klaus Steinbach, Chef des Nationalen Olympischen Komitees: „Es wird jetzt keinen personellen Schnellschuss geben.“

Was war passiert bei jener zweistündigen Sitzung, zu der Schily neben Steinbach auch Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und Sachsens Ministerpräsidenten Georg Milbradt eingeladen hatte? Zunächst das Erwartete. „Die Gesellschafter der Olympia GmbH empfehlen dem Aufsichtsrat die Abberufung des Geschäftsführers Dirk Thärichen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, erklärte Schilys Ministerium. Thärichen versuchte, diese Nachricht in Leipzig gefasst aufzunehmen. „Ich befinde mich in einer komplizierten Situation“, sprach er auf Nachfrage in sein Handy. Danach verwies er an seinen Anwalt und legte auf.

Dirk Thärichen hatte sich im September 1989 für einen dreijährigen Dienst beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ verpflichtet. Dennoch hielt Leipzigs Oberbürgermeister Tiefensee an ihm fest; Thärichen ließ sein Amt ruhen. Erst am Montag musste Tiefensee einsehen, dass er den Kampf wohl verloren hatte. „Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit nicht reif ist für eine unaufgeregte Diskussion“, sagte Tiefensee. „Das wird wohl dazu führen, dass Dirk Thärichen seine Arbeit nicht fortführen kann.“

Viele Sportpolitiker hatten zuletzt auf eine externe Lösung gesetzt. Michael Groß sollte als neuer Geschäftsführer bestellt werden. Doch auch er erhielt beim Olympiagipfel in Berlin offenbar keine Mehrheit. Kurz darauf gab Groß auf und teilte seinen Verzicht auf das Amt mit. „Für mich ist nicht absehbar, ein der Herausforderung entsprechendes Mandat zu erhalten“, erklärte der ehemalige Schwimmer, der inzwischen Unternehmer ist und von Steinbach favorisiert worden war. In Sachsen hatte sich dagegen Widerstand geregt – vor allem wegen des angeblich zu hohen Gehalts von Groß.

Am Dienstag wurde Groß während der Sitzung aus dem Ministerium angerufen, berichten Teilnehmer. Dabei soll er gefragt worden sein, ob er sich wirklich auf die Aufgabe konzentrieren könne oder ob er etwa noch Verpflichtungen in seiner Vermarktungsagentur wahrnehmen müsse. In Schilys Erklärung hieß es schließlich: „Die Gesellschafter nehmen zur Kenntnis, dass Michael Groß für eine Geschäftsführertätigkeit nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen kann.“

Damit bleibt der Leipziger Gesellschaft nur ein Geschäftsführer: Mike de Vries, ein Marketingexperte, der aber nach Streitigkeiten um seine Berufung nur auf Abruf arbeitet. Als neue Kandidaten nennen Sportfunktionäre nun Männer aus Sachsen. Leipzigs Olympiabeauftragter Burkhard Jung wird in Funktionärskreisen favorisiert, er ist allerdings der Kandidat des von der Thärichen- Debatte beschädigten Oberbürgermeisters Tiefensee. Auch Wolfram Köhler, Staatssekretär von Sachsens Ministerpräsident Milbradt, wird genannt. Allerdings hatte er sich lange dagegen gewehrt, dass seine Heimatstadt Riesa keine Hauptrolle mehr im Leipziger Olympiakonzept spielt – das kostete Vertrauen. Nachteil beider Kandidaten ist nach Ansicht von Beobachtern ihre internationale Unerfahrenheit. Mit schnellen Entscheidungen wird daher nicht gerechnet.

Ein wenig Aufklärung über die zukünftige Personalstruktur der deutschen Olympiabewerbung könnte nun eine Aufsichtsratssitzung der Olympiagesellschaft bringen. Sie findet am Samstag in Düsseldorf statt. Dirk Thärichen und Michael Groß werden nicht dabei sein.

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