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Sport: Panik bei den Prüfern

Die Stiftung Warentest stellt schon heute ihre brisante Studie zur Sicherheit der WM-Stadien vor

Berlin - Winfried Lonzen erinnert sich noch genau an den Besuch der Stiftung Warentest. Der Geschäftsführer des Leipziger Zentralstadions führte im vergangenen November drei Kontrolleure durch die Arena. „Die haben sich drei Stunden umgesehen und sich dann nicht mehr gemeldet“, erzählt Lonzen. Die Tester haben in Leipzig – wie in den elf anderen WM-Stadien – die Höhe der Stufen kontrolliert, sich mögliche Staufallen im Falle einer Panik angesehen und die Feuerlöscher gezählt. Nach dem Rundgang habe er die Tester gefragt, ob ihr Blick nicht etwas oberflächlich sei, erzählt Lonzen: „Darauf haben sie aber nicht reagiert.“

Am Freitag hatte die Stiftung Stadienbetreiber und das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM 2006 aufgeschreckt. Mit der Mitteilung, in den Spielstätten gebe es „teilweise beträchtliche“ Sicherheitsmängel, die im Falle einer Panik „verheerende Folgen“ hätten, hat die Stiftung die WM-Organisatoren in Erklärungsnot gebracht. Schnell geriet aber das Institut selbst in die Kritik, da es die Ergebnisse erst am 19. Januar veröffentlichen wollte. „Leichtfertig wird mit den Ängsten der Fans gespielt“, sagte etwa OK-Sprecher Jens Grittner. Die Stiftung reagierte – und stellt ihre Studie nun schon heute in Berlin vor.

„Wir haben die Brisanz unserer Meldung unterschätzt“, sagte Stiftungs-Sprecherin Heike van Laak am Montag. „Aber unser Test genügt höchsten wissenschaftlichen Standards.“ So seien die Arenen gemeinsam mit Panikforschern geprüft worden. „Und beim Brandschutz ging es nicht nur um Feuerlöscher, sondern auch um die Verwendung von leicht entflammbarem Material.“ Gemeinsam mit einigen Stadionbetreibern hatte die Stiftung im vergangenen Sommer einen Kriterienkatalog entwickelt, der insgesamt acht Risikofaktoren im Fall einer Katastrophe enthält – von der Breite der Fluchtwege bis zur Farbe von Hinweisschildern. „Bei der Begehung wurde aber nur 30 Prozent davon geprüft“, sagte Patrik Meyer, Geschäftsführer des Stadions in Frankfurt am Main. Genug zu tun hatten die Prüfer dennoch: In Nürnberg ließen sie die Decke der VIP-Lounge öffnen, um die Sprinkler-Anlage zu begutachten, in Frankfurt bemängelten sie eine falsch beschriftete Treppenstufe. Alle Betreiber mussten zudem Fragebögen ausfüllen.

Der Fußball-Weltverband Fifa schreibt in seinem WM-Pflichtenheft viele Sicherheitsanforderungen vor (siehe Kasten), diese werden laufend überprüft. Vor Länderspielen macht auch der DFB Sicherheitsrundgänge, zudem nehmen die Behörden bautechnische Kontrollen vor. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel fordert die Versammlungsstättenverordnung, dass ein Stadion binnen acht Minuten zu evakuieren ist. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Stiftung Warentest das Baurecht neu erfindet“, sagte Berlins WM-Beauftragter Jürgen Kießling. Die Tester halten trotz aller Zweifel an ihrer Mängelliste fest. „Unsere Überprüfungen gehen über die Maßstäbe der Behörden hinaus“, sagte der Projektleiter der Studie, Jürgen Armbrecht, dem Tagesspiegel. „Wir stehen zu unseren Formulierungen.“

Panikforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen erwartet ebenfalls ein „sehr negatives Ergebnis“ für die WM-Stadien. Er erhebt schwere Vorwürfe: „Die gesetzlichen Vorgaben reichen bei weitem nicht aus, die Fifa-Richtlinien zur Evakuierung sind larifari, und die Betreiber tun nicht mehr, als sie müssen.“ Lediglich in Berlin bestehe Interesse, Computersimulationen zur besseren Evakuierung einzusetzen. Mit dieser neuen Methode hatte Schreckenberg im September 2003 das Dortmunder Westfalenstadion getestet. Ergebnis: „zum Teil erhebliche Probleme“.

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