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Die Serie geht weiter. Hertha ist nach dem Gegentor von Tomas Pekhart nun seit 17 Erstliga-Heimspielen in Folge sieglos. Foto: dapd

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Sport: Panzerübung im Olympiastadion

Hertha vermiest sich die Feier zur Rückkehr in die Bundesliga mit einem schwachen 0:1 gegen Nürnberg

Berlin - Natürlich ist es zu verurteilen, wenn ein Zuschauer in einem Fußballstadion das Hausrecht verletzt; wenn er sich widerrechtlich Zugang zum Innenraum verschafft. Man will auch gar nicht wissen, was in solchen Menschen vorgeht, die ein paar Sekunden zweifelhaften Ruhms gegen mindestens ein Jahr bundesweites Stadionverbot in Kauf nehmen. Dem Flitzer aber, der gestern Abend im Olympiastadion dem Nürnberger Torhüter Raphael Schäfer kurz die Hand schütteln wollte, könnte man zumindest eine Art Notwehr zugestehen. Jede Unterbrechung des grausigen Geschehens auf dem Rasen war eine Wohltat. Berlin hatte sich so sehr auf die Rückkehr von Hertha BSC auf die große Bühne gefreut. Und dann das. Ein mieses Spiel bekamen die Zuschauer zu sehen, das der Aufsteiger zu allem Übel auch noch durch ein spätes Tor 0:1 (0:0) verlor. Nach dem Spiel kam es auch noch zu Auseinandersetzungen zwischen den Fangruppen. Die Polizei ging mit Pfefferspray dagegen vor und erklärte, Beamte seien mit Flaschen beworfen worden. Ob es Verletzte oder Festnahmen gab, war am späten Abend noch unklar.

„Das ist schon ein blödes Gefühl, weil am Anfang so eine gute Stimmung war“, sagte Verteidiger Maik Franz nach dem Spiel. Die Bedingungen waren prächtig, die Sonne schien, das Stadion war mit 61 118 Zuschauern gut gefüllt, das Publikum frohen Mutes: Ein Fußballabend kann kaum schöner sein – wenn nur der Fußball nicht gewesen wäre. Die 22 Spieler boten in der ersten Halbzeit eine ganz spezielle Form des One-Touch-Footballs. Jede Mannschaft durfte den Ball einmal berühren, dann war er wieder weg, wahlweise im Aus oder beim Gegner. Die Bälle wurden hoch und weit nach vorne gebolzt und jeder Ansatz von Kombinationen durch Fouls unterbunden.

Die Berliner wirkten, als wären sie eher zufällig auf den Rasen geraten. Trainer Markus Babbel fühlte sich an Kinder im Spielzeugladen erinnert. „Vielleicht hätte ich ihnen sagen sollen, dass sie sich auch Spielsachen aussuchen und zugreifen dürfen.“ In der ersten Halbzeit brachte Hertha keine einzige Offensivaktion zustande, nicht ein Schuss flog auf das Nürnberger Tor, nach der Pause wurde es kaum besser. Hertha blieb 90 Minuten ohne echte Torchance. „Wir haben offensiv nicht wirklich stattgefunden“, sagte Manager Michael Preetz.

Den Zuschauern war Erstligafußball versprochen worden, sie bekamen vor der Pause schlechten Zweitligafußball zu sehen. Das Spiel war so zerfahren wie ein Panzerübungsplatz. Nach 20 Minuten machte sich ein erstes Grummeln bemerkbar, kurz vor der Pause gab es nach einer sinnfreien Flanke aus dem Halbfeld die ersten Pfiffe. Dabei wäre das Publikum so leicht zufrieden zu stellen gewesen. Als sich Hertha nach einer Stunde der Ansatz einer Chance bot, formte sich in der Ostkurve ein mächtiger Chor. Aber die Mannschaft vermochte den Pass aus dem Publikum nicht aufzunehmen.

War es Nervosität? Fehlende Qualität? Normalerweise spiele man bei der Rückkehr in die Bundesliga doch mit Euphorie und Lust, sagte Preetz. „Ich habe nur Last gesehen.“ Babbel meinte schon vor dem Anpfiff eine Veränderung bei seinen Spielern wahrgenommen zu haben: „Die Mannschaft hat sich sehr unter Druck gesetzt. Sie war nicht so, wie ich sie kenne.“ Zu ängstlich, zu hektisch, ohne Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es war, als hätte die Angst die Beine gelähmt. Das würde zumindest erklären, warum die Berliner deutlich weniger gelaufen waren als die Nürnberger, und dann auch noch meistens hinterher.

Dabei waren auch die Gäste alles andere als eine Übermannschaft. In der ersten Halbzeit hatten sie zwei Halbchancen nach Standardsituationen, nach der Pause bekam Torhüter Kraft einen Fernschuss von Markus Feulner erst im zweiten Zupacken zu fassen, und als ihm Tomas Pekart den Ball nach dem ersten stringenten Angriff des Spiels genau in die Arme köpfte, war bereits eine Stunde vorüber. Kurz darauf konnte Hertha immerhin den ersten Eckball bejubeln.

„Wenn du merkst, dass nach vorne nichts geht, musst du wenigstens hinten die Null halten“, sagte Herthas Mittelfeldspieler Andreas Ottl. Nicht einmal das gelang Hertha. Zehn Minuten vor Schluss ließ Franz sich von einem Einwurf der Nürnberger düpieren, der gerade eingewechselte Jens Hegeler lenkte den Ball kurz vor der Torauslinie noch in die Mitte, Pekhart vollendete.

Die Berliner warten nun schon seit 17 Spielen auf einen Heimsieg in der Bundesliga. Trotzdem wehren sie sich bei Hertha noch gegen Parallelen zur Abstiegssaison. „Ich werde jetzt den Teufel tun, die Mannschaft zu verdammen“, sagte Babbel. Auch die Fans zeigten sich recht gnädig. Diese Nachsicht haben sich die Spieler jedoch nicht gestern verdient, sondern ausschließlich in der vergangenen Saison.

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