zum Hauptinhalt
Seine größte Stunde. Im 200-Meter-Finale von London besiegte Alan Fonteles Oliveira den Paralympics-Star Oscar Pistorius in einem dramatischen Schlussspurt. Auf dieser Strecke hat der Brasilianer auch in Rio die besten Chancen auf Gold.

© AFP

Paralympische Sommerspiele: Alan Fonteles Oliveira und der lange Lauf gegen sich selbst

In London wurde Alan Fonteles Oliveira zum Paralympics-Star. Ist der Lokalheld nun fit, um in Rio zu glänzen?

Von Ronja Ringelstein

Es ist das Problem mit großen Idolen: Sie können fallen. Und das ist auch mit Alan Fonteles Oliveira passiert. Doch er könnte sich mit diesen Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro wieder zurück nach ganz vorne bringen. Der 24 Jahre alte Sprinter aus Brasilien sagte im Jahr 2014 plötzlich: Ich habe keine Lust mehr. Das wollten ihm viele nicht verzeihen. War er doch zum paralympischen Volkshelden geworden. Der Medienliebling, der seiner Freundin live im Fernsehen einen Heiratsantrag gemacht hatte. Er wusste sich in Szene zu setzen – und dann verschwand er einfach von den Tartan-Bahnen des Profi-Sports. Und eben dieser Oliveira, dem kurz nach der Geburt beide Beine unterhalb der Knie amputiert werden mussten, soll nun das Gesicht der Paralympischen Spiele sein.

Weltweit bekannt wurde Alan Fonteles Oliveira vor vier Jahren. Bei den Paralympics von London stürmte er im 200-Meter-Finale an dem Südafrikaner Oscar Pistorius vorbei, wie es bis dahin noch niemand getan hatte. Er stieg zum Star auf, erhielt etliche Sponsorenverträge und Ehrungen, unter anderem den brasilianischen Verdienstorden. 2013 zählte er laut „Sports Pro Magazine“ weltweit zu den 50 Sportlern, die sich am besten vermarkten ließen. Doch seitdem ist viel Zeit vergangen. Ein volles Jahr Pause gönnte sich Oliveira 2014. Er wollte Zeit für seine Familie, hatte keine Lust mehr auf das Training und alles erreicht, was er bis dato erreichen wollte. Sponsoren sprangen ab, und er bekam auch von enttäuschten Fans viel Kritik für sein Sabbatical. Er machte keinen Sport und nahm deutlich zu – und das sieht man ihm auch heute noch an.

Doch er will sich zurückkämpfen, über die Ziellinie, auf die Werbebanner und in die Köpfe der Fans. „In Rio möchte ich das Gesicht der Spiele sein – und ich werde dafür hart trainieren“, hatte Oliveira versprochen, nachdem er sein Comeback angekündigt hatte. Am Donnerstag läuft er erstmals im Halbfinale über 100 Meter.

Kein Duell mehr mit Pistorius

Ein Duell mit Pistorius wird es in Rio nicht mehr geben. Der gefallene Star sitzt inzwischen wegen Mordes im Gefängnis. Doch die Konkurrenz ist auch so groß, gerade über die 100 Meter. Bei der Weltmeisterschaft in Katar 2015 siegte der Amerikaner Richard Browne, Oliveira wurde nur Dritter in der Klasse T44. Ein anderer, der Oliveira in Rio abhängen könnte, ist der Brite Johnnie Peacock, Sieger in London auf der 100- Meter-Strecke. Über 400 Meter hat Oliveira nur vage Siegchancen, seine Ausdauer ist nicht die beste.

Die größere Chance auf eine Goldmedaille hat er wieder über 200 Meter. Auf jener Strecke meldete er sich im Oktober 2015 bei der WM in Katar nach seiner Auszeit zurück in der Weltspitze. Der Sieg ging zwar an Richard Browne – der US-Amerikaner stellte bei der WM in der Klasse T44 mit 21,27 Sekunden einen neuen Weltrekord auf. Oliveira war damals fast acht Zehntelsekunden langsamer, doch es reichte für Silber. Und Oliveira sah es als Ansporn, Browne ab jetzt richtig nachzujagen. „Für mich bedeutet dieses Rennen meine Rückkehr“, sagte er, und nach dem Sprint erfuhr sein Rivale das als Erster. Oliveira legte im Ziel den Arm um Richard Browne und sagte zu ihm: „Ich sehe dich in Rio.“

Doch es kam anders. Zwar stürzte sich Oliveira wieder verstärkt ins Training, doch Browne wird bei den Paralympics in Brasilien nicht an den Start gehen. Oliveiras größter Rivale hat im Juli überraschend seinen Rückzug aus dem Sport angekündigt, er will sich auf seine Familie und sich selbst konzentrieren. Auf den 200 Metern gibt es nun auf den Papier kaum jemanden, der dem Brasilianer bei seinen dritten Paralympics gefährlich werden kann. Sein größter Gegner wird er selbst sein. Die große Frage ist: Ist er fit genug für Gold? Bei seinem Weltrekord in der Klasse T43 lief Oliveira vor drei Jahren nach 20,66 Sekunden durchs Ziel. Trotz intensiven Trainings hat er diese Form nicht erreicht – noch immer ist er fast 1,5 Sekunden langsamer als 2013.

Womöglich macht der Heimvorteil die körperlichen Schwächen Oliveiras wett. Die Brasilianer jedenfalls haben ihn nach seinem plötzlichen Rücktritt längst wieder ins Herz geschlossen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false