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Sport: Partnerschaft auf Probe

Julius Brink und Jonas Reckermann gewinnen in Berlin die German Masters – obwohl die Beachvolleyballer erst seit sechs Monaten zusammenspielen

Berlin – Sascha Heyer streckte sich verzweifelt. Er ist 2,03 Meter groß, er hatte seine Finger so weit nach vorne gerichtet, wie es irgendwie möglich war. Es reichte nicht, der Ball fiel genau zwischen seine Fingerspitzen und das blaue Plastikband, das im Sand gespannt war - die Auslinie des Beachvolleyball-Feldes. Julius Brink hatte den Ball optimal getimt, Punkt für das Paar Brink/Reckermann (Leverkusen/Köln). Eine spektakuläre Szene des Finales vor 3500 begeisterten Zuschauern, und am Ende hatten die beiden Deutschen das German Masters Turnier in Berlin gewonnen, Teil der European Championship Tour, dotiert mit 100 000 Euro. 2:1 (21:16, 26:28, 15:13) besiegten sie die Schweizer Patrick Heuscher/Sascha Heyer. Der zweite Turniersieg der Deutschen. Erst seit sechs Monaten spielen sie zusammen. „Der zweite Satz war ein Wechselbad der Gefühle“, sagte Jonas Reckermann, „aber so etwas muss man abhaken. Wir haben ein spannendes Finale geliefert.“

Die Partnerschaft Brink/Reckermann ist ein viel größeres Experiment, als es die Statistik aussagt. Auf dem Papier sind der Europameister Reckermann und der Europameister Brink zusammengekommen, zwei Routiniers, die technisch ausgereift sind, die sich taktisch auf Weltniveau bewegen. Das Problem ist nur, dass sie diese Erfolge nicht zusammen erreicht haben. Brink spielte zuletzt mit Christoph Dieckmann, Reckermann mit Mischa Urbatzka. Beide Teams trennten sich im vergangenen Jahr, erst Anfang 2009 wurden die Spielpaarung Brink/Reckermann gebildet. „Und das bedeutet, dass wir uns erstmal grundlegend finden müssen“, sagt Brink.

Beachvolleyball ist ein hochkompliziertes Spiel, auch wenn es einfach aussieht. Die Standardsituationen sind inzwischen automatisiert bei den beiden, aber Weltklasse-Spiele werden mit Feinheiten gewonnen. „Sonne, Hitze, Regeln, veränderte Windverhältnisse“, sagt Brink, „das alles spielt eine Rolle.“ Wenn sich Faktoren ändern, muss der eine vom anderen wissen, wie der sich verhält, wie er läuft, wie er schlägt. Und das wissen Brink/Reckermann noch nicht. Sie haben es vor zwei Wochen schmerzhaft bemerkt, beim Turnier in Baden bei Wien. Da trafen sie im Finale auf das spanische Weltklasseduo Herrera/Gavira. Die Deutschen gewannen den ersten Satz haushoch, im zweiten dominierten die Spanier. Und im dritten Satz stellten Herrera/Gavira ihre Spielweise um. Ein eingespieltes Team hätten sie damit wenig beeindrucken können. Aber Brink/Reckermann sind noch nicht eingespielt, sie hatten der veränderten Taktik nichts entgegen zu setzen – und verloren.

Aber sie lernen. In Berlin trafen sie wieder auf die Spanier, diesmal schon in der Vorrunde. Und diesmal setzten sich Brink/Reckermann durch, in zwei Sätzen nach 55 Minuten. „Dieser Sieg bringt uns viel mehr als irgendwelche Spiele, die wir zwar gewinnen, aber bei denen wir nicht so gut sind“, sagt Brink. Das Turnier in Rom zum Beispiel haben sie gewonnen, „aber dort“, sagt Brink, „haben wir nicht unser bestes Spiel geliefert.“

In den acht Turnieren, bei denen sie bisher gespielt haben, standen sie jeweils im Halbfinale. „Die Konstanz unserer Leistung ist schon überraschend“, sagt Reckermann. „Das habe wir nicht erwartet.“ Andererseits sollte man diese Bilanz auch nicht überbewerten. „Bis wir optimal eingespielt sind, dauert es bis 2011“, sagt Brink. Deshalb ist ihr Zeitplan auch bis 2012 angelegt. Brink/Reckermann wollen bei den Olympischen Spielen in London um eine Medaille mitkämpfen. In einer Woche findet in Stavanger die nächste Weltmeisterschaft statt, für die Deutschen eine schöne Möglichkeit, gegen die absolute Weltklasse zu spielen. Aber eine Medaille? Die plant keiner der beiden fest ein.

Brink ist vorsichtiger geworden. Er hat das Image des extrovertierten Provokateurs, der auf dem Spielfeld poltert, schreit und Verwarnungen kassiert. Vor den Olympischen Spielen in Peking, als er noch mit Christoph Dieckmann spielte, da erzählte er betont lässig, dass er natürlich eine Olympiamedaille will. Gold? Klar, signalisierte er, warum denn nicht? Ein paar Wochen später überstanden sie in Peking nicht mal die Vorrunde.

Jetzt sagt Brink: „Natürlich wollen wir jedes Spiel gewinnen.“ Aber eine Niederlage, bitte, die gehöre jetzt ganznormal zum Entwicklungsprozess.

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