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Klatschgeschichte. Julius Brink (rechts) und Jonas Reckermann müssen in Timmendorfer Strand nicht nur Beachvolleyball spielen, sondern auch sich selbst präsentieren. Ihr Manager sagt: „80 Interviews, 80 Mal die gleichen Fragen.“ Foto: dapd

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Sport: Pasta mit Goldflocken

Die Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink und Jonas Reckermann werden bei den Deutschen Meisterschaften belagert und gefeiert.

Was die beiden Olympiasieger an diesem Wochenende im beschaulichen Ostseebad Timmendorfer Strand erwarten würde, erfuhren Julius Brink und Jonas Reckermann am Donnerstag im ersten Hotel am Ort. Die beiden Beachvolleyballer standen auf der Terrasse, als ein Tourist im Italien-Shirt die Plattform enterte und begeistert ausrief: „Ich habe schon vor zwei Jahren gesagt, dass Ihr in London Gold holt. Erinnert Ihr Euch?“ Natürlich hatte Brink diese Begegnung schon längst nicht mehr parat, nickte aber dennoch höflich. Auch der Bitte, die Medaille einmal anfassen zu dürfen, kam er lächelnd nach. Danach schaute er wieder in die Kamera, um das unterbrochene Fernsehinterview weiterzuführen.

Deutschlands Vorzeigeduo bewegt sich in den Tagen der Deutschen Meisterschaften nicht nur auf dem Sandplatz hochprofessionell: Sympathisch, lässig, eloquent – die Helden von London sind überall gefragt. „Teilweise ist der Hype, der uns hier begegnet, schon grenzwertig“, sagt Brink, „die ganzen Strukturen sind ja gar nicht auf diesen Rummel ausgelegt.“ Julius hin, Jonas her, Brink/Reckermann überall, die Lieblinge der Strandszene werden herumgereicht, dass kaum noch Luft zum Atmen bleibt.

Alles in allem begegnen Deutschlands neue Lieblinge einer „schwierigen Situation“, wie der Abwehrspieler betont: „Wir sind es ja nicht gewohnt, irgendwo als Olympiasieger aufzulaufen.“ Das artet in Stress aus, zeitigt aber auch manch schöne Begegnung. So bekamen die Profis beim Italiener ihre Pasta mit einer Dekoration aus Goldflocken serviert. Auch von ihren Kollegen erhalten sie jede Menge Anerkennung. So laufen bei den Meisterschaften viele Männer- und Frauenteams auf, die ihre Oberarme mit Klebetattoos verziert haben, auf denen zu lesen ist: „J&J – wir sind stolz auf euch“.

Und Nationalspielerin Katrin Holtwick fand es „super cool, dass die Stimmung hier in Timmendorfer Strand bereits am Freitag unglaublich war. Julius und Jonas haben einen regelrechten Boom ausgelöst, das ist toll für unseren Sport.“

Dabei vollführen die Stars einen regelrechten Drahtseilakt. „Es war natürlich schwer in den letzten Wochen, die Medien zu bedienen, dabei mit beiden Beinen auf dem Boden und trotzdem in unserem Trainingsrhythmus zu bleiben“, berichtet Brink: „Das ist hier ja kein Schaulaufen, sondern ein ernsthafter Wettbewerb.“ Sein Kollege Reckermann ergänzt, er habe sich „nicht vorstellen können, dass solch ein Rummel im Beachvolleyball möglich ist“.

Den Spagat haben die Athleten bislang unfallfrei hinbekommen. Sie werden am Ostseestrand von Termin zu Termin gereicht, zwischendurch erledigten sie ihre sportliche Pflicht mit professioneller Souveränität und zogen ungeschlagen ins Halbfinale ein. „Unglaublich, wo die Jungs die Kraft hernehmen“, wundert sich ihr Manager Klaus Kärcher: „80 Interviews, 80 Mal die gleichen Fragen und dann noch so konzentriert den Job erledigen, das ist absolut bemerkenswert.“

Kärcher hat die Aufgabe übernommen, die Goldmedaille zu versilbern. Durch die Fernsehübertragung aus London, die in der Spitze 9,2 Millionen Menschen in Deutschland vor dem Fernsehen verfolgten, ist seine Aufgabe leichter geworden. „Früher musste ich bei der Akquise erklären, was Beachvolleyball überhaupt ist.“ Zum Beispiel habe er bei einem Terminengpass mal die Ansage gehört, „na, dann schicken Sie doch zwei andere aus der Mannschaft vorbei“. Das Grundwissen, nach der sich ein Team mit nur zwei Spielern durch den Sand wühlt, war nicht vorhanden.

Durch die Fernsehbilder aus London ist der Sport in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt worden, das Fehlen rudimentärer Kenntnisse gehört bei vielen nun der Vergangenheit an. Kärcher berichtet von „diversen Anfragen, der Olympiasieg wird sich für die beiden mit Sicherheit bezahlt machen“. Zahlen nennt der Manager zwar nicht, sagt aber, „dass es nicht reichen wird, um fürs Leben ausgesorgt zu haben. Wohl aber, um solide Rücklagen zu bilden.“

Gewinne soll der Olympiasieg auch für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) abwerfen. Zumindest, wenn es nach dem Willen des neuen Verbandspräsidenten geht, der in Timmendorfer Strand ohne Gegenstimmen inthronisiert wurde. Thomas Krone, 50 Jahre alt, ist geschäftsführender Gesellschafter eines Medienkonzerns und weiß daher, von was er spricht. Den Olympiasieg von Brink/Reckermann bezeichnet er für seine Amtszeit als „absoluten Traumstart. Es ist doch toll, diese Steilvorlage zu bekommen. In der Situation der Schwimmer möchte ich im Moment nicht sein.“ In den 20 Jahren, die er nun in der Medienbranche arbeite, habe sich der Unternehmer „ein gutes Netzwerk aufgebaut, aber du brauchst dazu noch ein gutes Produkt, das du anbieten kannst“. Mit Julius Brink und Jonas Reckermann, so scheint es, ist der neue Boss im DVV zumindest in diesem Punkt auf der sicheren Seite.

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