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Endlich ein Mann. Patrick Herrmann hat auch vor den Bayern keine Angst.

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Update

Unser Bundesliga-Blog: Patrick Herrmann spielt sich in den Fokus von Bundestrainer Joachim Löw

Heute in unserem Blog: Borussia Mönchengladbach fordert Bayern München heraus, Hannover 96 versinkt im Abstiegskampf und Hertha BSC strebt nach oben

14:40 Uhr: Max Eberl und sein Trainer Lucien Favre sind in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung gewesen; inzwischen ist ihr Verhältnis so gut und störungsfrei, dass sogar leichte Meinungsverschiedenheiten nicht zu größeren Verwerfungen führen, zum Beispiel in der Bewertung von Patrick Herrmann. Während Eberl den Offensivspieler der Adoleszenz inzwischen entwachsen sieht („Er ist jetzt ein Mann“), hat Favre gerade noch einmal zu Protokoll gegeben: „Er ist ja noch extrem jung, für mich sogar noch wie in Kind.“

Die Frage wird wohl nicht abschließend zu klären sein, auch wenn Herrmann selbst („Ich bin nicht mehr der kleine Patrick“) wohl eher zu Eberl tendiert. Unstrittig ist, dass der 24-Jährige eine positive Entwicklung gemacht hat. Mit seinen beiden Toren gegen Hannover hat er einen persönlichen Rekord aufgestellt. Mehr als sechs Tore hat er nie in einer Spielzeit erzielt, diese Marke hat er nun übertroffen. „Das war vor Saisonbeginn mein großes Ziel“, sagt er, was allerdings nicht bedeutet, dass Herrmann mit nun acht Treffern bereits am Ziel ist: „Man kann ja nie genug Tore schießen.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf eine andere Statistik. Acht Toren stehen in diesem Jahr zwei Vorlagen gegenüber. In den vergangenen drei Spielzeiten hat Herrmann nie mehr Tore erzielt als Assists gegeben. Auch das spricht für einen gewissen Reifeprozess. Ich würde daher sogar mal die steile These aufstellen, dass Patrick Herrmann bei den beiden Länderspielen in der kommenden Woche (Mittwoch gegen Australien und Sonntag in Georgien) im Kader der deutschen Nationalmannschaft auftauchen wird. Einmal zählte er schon zum Aufgebot. Das war im März 2013, im Länderspiel gegen Kasachstan, als er wegen akuter Personalnot von der U 21 zur A-Nationalmannschaft abkommandiert wurde. Zum Einsatz kam er damals nicht. Wahrscheinlich war er noch zu sehr Kind.

14:15 Uhr: Zurück zum Spitzenspiel des kommenden Wochenendes zwischen den Bayern und Borussia Mönchengladbach – und zum bereits unten zitierten Patrick Herrmann. Der junge Mann, 24 Jahre alt, hat durchaus positive Erinnerungen an die Bayern. Drei seiner dreißig Bundesligatore erzielte er gegen die Münchner. Vor allem der erste Rückrundenspieltag der Saison 2011/12 ist vielen im Gedächtnis geblieben, als er das direkte Duell mit Nationaltorhüter Manuel Neuer gleich zweimal für sich entscheiden konnte und die Gladbacher am Ende 3:1 gewannen. Aber das soll noch nicht alles gewesen sein: „Ich habe zwar zu Hause schon gegen die Bayern getroffen, aber noch nicht in München", sagt Herrmann. "Es wäre schön, wenn sich das ändert.“

Im Moment ist Herrmann auch wieder in Bayern-Form. Gegen Hannover erzielte er beide Tore, von den zehn Treffern der Gladbacher im Jahr 2015 geht die Hälfte auf sein Konto. „Patrick macht in dieser Saison eine tolle Entwicklung“, sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl. „Er wird immer mehr ein Mann!“

Als Marco Reus im Sommer 2012 aus Gladbach nach Dortmund wechselte, war Herrmann demnach noch ein Kind, und trotzdem galt er vielen damals bereits als der neue Reus. Mit einiger Verzögerung scheint der Rechtsfuß dieser Prophezeiung nun gerecht zu werden. Seit Sonntagabend ist er Borussias bester Torschütze in dieser Saison. Mit acht Toren ist er an Nationalspieler Max Kruse (sieben) vorbeigezogen, der zudem seit einer kompletten Halbserie (seit dem Hinspiel gegen Hannover) kein Tor mehr aus dem Spiel heraus erzielt hat, sondern seine persönliche Bilanz lediglich mit zwei verwandelten Elfmetern aufgehübscht hat.

Inzwischen ist Herrmann in jeder Hinsicht Borussias Offensivspieler Nummer eins – als Torschütze, aber auch als Mann für eine der beiden Außenpositionen, auf denen die Konkurrenz mit André Hahn, ebenfalls Nationalspieler, Ibrahima Traoré, Thorgan Hazard und Fabian Johnson, WM-Teilnehmer mit den USA, groß ist.

„Wer bis heute nicht wusste, wie gut er ist, der weiß es jetzt“, sagte Max Eberl nach dem Spiel gegen Hannover. Ob das für die Gladbacher so gut ist, wenn sich diese Erkenntnis weiter verbreitet, ist wiederum eine andere Frage. Der Vertrag von Patrick Herrmann im Mönchengladbach läuft im Sommer 2016 aus.

13:45 Uhr: Glück und Pech für Jaroslav Drobny. Der Torhüter des Hamburger SV ist nur für ein Spiel gesperrt worden. Pech (I): Er fehlt damit ausgerechnet gegen seinen früheren Verein Hertha BSC, mit dem er nicht geschafft hat, was ihm im vorigen Jahr mit dem HSV gelungen ist: der Klassenerhalt. Pech (II): Sollte René Adler, sein Ersatzmann im Tor, am Freitag gegen die Berliner ein überragendes Spiel machen, droht Drobny eine viel längere Sperre.

Wer hat Angst vor den Bayern? Die Fans von Borussia Mönchengladbach im Moment höchstens ein bisschen.

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13:15 Uhr: Raus aus dem Sumpf des Abstiegskampfs in die lichten Höhe – hüstel, hüstel – des Meisterschaftsrennens. Von Rennen kann natürlich nicht die Rede sein. Die Bayern joggen locker-flockig ihrer 25. Meisterschaft entgegen, während die Konkurrenz auf Krücken hinterherhumpelt. Nach aktuellen Berechnungen kann es schon am 28. Spieltag so weit sein, falls die Bayern weiterhin alles gewinnen und der VfL Wolfsburg alles verlieren sollte (wonach es, ehrlich gesagt, zumindest bei den Wolfsburgern im Moment nicht aussieht).

Dass der Alleingang der Bayern nicht gut ist für die Liga, war vor einer Woche an dieser Stelle das Thema. Dazu passt der Aufschrei der „Bild“-Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe: „Hört endlich auf, vor Bayern zu kriechen!“ Anlass war die Reaktion des Bremer Trainers Viktor Skripnik nach der deutlichen Niederlage am Wochenende seiner Mannschaft gegen die Münchner: „Wir sind stolz auf das 0:4.“ André Breitenreiter, der Trainer des SC Paderborn, hatte sich vor ein paar Wochen ähnlich devot geäußert, nach einem 0:6 im eigenen Stadion: „Vielen Dank für das tolle Erlebnis.“

Aktuell ruhen die Hoffnungen auf ein bisschen mehr Spannung und wenigstens einem Hauch von Wettbewerb auf Borussia Mönchengladbach. Die Gladbacher sind am Sonntag der nächste Gegner der Überbayern. Oder muss man schon sagen: ihr nächstes Opfer?

Die Gladbacher waren in den Siebzigern zwar der große nationale Konkurrent der Bayern, ihre Bilanz in München aber liest sich äußerst bescheiden. Seit dem gemeinsamen Aufstieg 1965 konnten die Borussen nur zwei Mal bei den Bayern gewinnen: im Oktober 1995 (2:1) und im August 2011, am ersten Spieltag der Saison, als Igor de Camargo ein Missverständnis zwischen Jerome Boateng und dem Bayern-Debütanten Manuel Neuer zum 1:0-Endstand nutzte.

Kriechen wollen die Borussen vor dem Auftritt in der Münchner Arena trotzdem nicht. Im Hinspiel, beim 0:0, waren sie dem FCB ein gleichwertiger Gegner, dem Sieg vielleicht sogar ein Stückchen näher. „Bayern ist einer der größten Vereine der Welt – auch völlig zu Recht. Das darf im Umkehrschluss aber nicht bedeuten, dass alle anderen automatisch klein beigeben und sich selbst kleinmachen“, hat Max Eberl, der Sportdirekter der Gladbacher, in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ gesagt. Vielleicht liegt das daran, dass er selbst bei den Bayern sozialisiert wurde, es als erster Spieler überhaupt von der F-Jugend bis zu den Profis geschafft hat (auch wenn es nur zu einem Bundesligaspiel für den Rekordmeister gereicht hat). „Wenn du Sport treibst, solltest du den Ehrgeiz haben, deine Spiele zu gewinnen – und nicht den Anspruch, gegen einen Gegner nur ein wenig auf die Nase zu bekommen. Ich würde mich nie für eine Klatsche bedanken.“

Die Gladbacher reisen mit dem nötigen Selbstvertrauen nach München. Sie sind nicht nur im Gesamttableau hinter den Bayern und den Wolfsburgern Dritter, sondern auch in der Tabelle der Rückrunde. Zudem haben sie in diesem Jahr erst vier Gegentore kassiert - so wenige wie kein anderer Bundesligist. „Wir sind uns bewusst, dass uns eine schwere Aufgabe erwartet, wollen aber jedes Spiel gewinnen“, sagt auch Patrick Herrmann, der am Wochenende beide Tore zum 2:0-Sieg der Borussen gegen Hannover erzielt hat. „Da ist es völlig egal, gegen wen es geht.“

12:00 Uhr: Das Spiel gegen Schalke (2:2) könnte für Hertha BSC ein Vorgeschmack darauf gewesen sein, was die Mannschaft im Abstiegskampf bis zum Saisonende noch erwartet. Wenn du glaubst, alles wird gut, kommt jemand und wirft dir doch wieder einen Knüppel zwischen die Beine. Den Treffer von Genki Haraguchi zum 2:1 zehn Minuten vor dem Ende bejubelten Spieler, Betreuer und Fans schon wie den vorzeitigen Klassenerhalt. Die Beobachtung, dass die komplette Mannschaft zur Eckfahne eilte, um den Torschützen zu feiern, ist allerdings nicht richtig. Thomas Kraft freute sich eher innerlich. Er lehnte in aller Ruhe am Pfosten seines Tores, während am anderen Ende des Platzes eine Jubelorgie aufgeführt wurde. Vielleicht hatte Herthas Torhüter auch einfach nur eine böse Ahnung. Denn zehn Sekunden vor dem Ende erlebte die Hochstimmung durch das Ausgleichstor des Schalker Innenverteidigers Joel Matip einen argen Dämpfer. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat die allgemeinen Empfindungen unter der Überschrift „Hertha süß-sauer“ zusammengefasst.

„Vielleicht sind wir ein bisschen zu naiv, vielleicht sind wir ein bisschen zu nett“, sagte Trainer Pal Dardai. Immerhin hat die Mannschaft, übrigens zum ersten Mal in dieser Saison, jetzt drei Spiele hintereinander nicht verloren - was im Schreckenrennen namens Abstiegskampf schon mal ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil ist. „Die Fortschritte der Mannschaft, mögen sie sich auch eher in kleinen Schritten denn in großen Sprüngen vollziehen, sind deutlich zu erkennen“, schreibt die „Berliner Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabe. „Gegen Schalke wirkte das Team ganz und gar nicht wie ein Abstiegskandidat.“ Theoretisch kann das am Freitag in Hamburg aber schon wieder ganz anders aussehen. Denn: „So ersehnt der Aufschwung ist, so fragil ist er andererseits auch“, meint die „Berliner Morgenpost“. „Das vielleicht größte Problem des Hertha-Jahrgangs 2015 ist der Mangel an Konstanz.“

Zu früh gefreut: Irgendwo ganz unten findet sich Genki Haraguchi, der Hertha gegen Schalke mit 2:1 in Führung gebracht hatte.

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11:35 Uhr: Die Fans des VfB Stuttgart werden jetzt wahrscheinlich sagen: Mit zwei Siegen raus aus der Abstiegszone - schön und gut. Aber wie soll das gehen: zwei Siege hintereinander? Es ist ja wirklich so, dass der Abstiegskampf in den seltensten Fällen linear verläuft wie zuletzt bei den Bremern, die sich mit fünf Siegen hintereinander vom letzten Tabellenplatz so weit nach oben gearbeitet haben, dass sie in dieser Saison wohl nicht mehr in Gefahr geraten werden. Normalerweise geht es auf und nieder, auf Freud folgt Leid – und umgekehrt. Das heißt, dass selbst für den taumelnden Tabellenletzten Stuttgart längst nicht alles verloren ist. Es heißt aber auch, dass sich eine Mannschaft wie Hertha BSC, für die es in den vergangenen Wochen ungleich besser gelaufen ist, noch nicht zu sicher fühlen darf.

In Saisonphasen wie diesen fangen die Fans an, wild hin und her zu rechnen. Sie stellen Hypothesen auf, wie viele Punkte zum Klassenerhalt reichen werden, spielen die fehlenden Begegnungen am Computer durch und lassen sich eine virtuelle Abschlusstabelle erstellen. Aber solche Rechnungen können gefährlich sein – weil die Kalkulationen von Wahrscheinlichkeiten ausgehen. Denn was ist im Abstiegskampf schon wahrscheinlich? Im Abstiegskampf herrscht der Irrationalis.

Wahrscheinlich ist, beim Blick auf den Spielplan, dass Hertha schon bald aus dem Gröbsten raus sein kann. Am Freitag spielen die Berliner gegen den HSV (15.), dann kommt der SC Paderborn (16.) ins Olympiastadion, ehe Hertha bei Hannover 96 (13.) antreten muss. Das hört sich erst einmal gut an. In Hamburg hat Hertha selbst in der desaströsen Rückrunde der vergangenen Saison gewonnen, als der Mannschaft insgesamt nur zwei Siege in siebzehn Spielen gelangen. Dazu muss der HSV auf seinen Torhüter Jaroslav Drobny (Rotsperre) verzichten, auf Petr Jiracek (fünfte Gelbe Karte) und den verletzten Heiko Westermann. Wobei, ob das zwingend ein Nachteil ist?

11:10 Uhr: Eine interessante Statistik zum Thema Abstiegskampf (mit Dank an @eckenkoenig). Von den zehn Mannschaften, die in der Tabelle die Plätze 9 bis 18 belegen, haben am vergangenen Wochenende nur zwei Tore erzielt: Mainz 05 (2:0 in Augsburg) und Hertha BSC (2:2 gegen Schalke). Das sollte eigentlich allen Abstiegskämpfern Hoffnung machen, selbst dem VfB Stuttgart als Tabellenletztem: „Dieser Mannschaft kann kein Trainer helfen. Dieser Mannschaft fehlt Qualität“, schreibt der „Kicker“. Aber zum Glück gibt es ja noch die Konkurrenten, die sich auch nicht viel geschickter anstellen.

Der VfB hat in diesem Jahr noch kein einziges Spiel gewonnen, ist das schlechteste Team der Rückrunde – aber ein Sieg reicht womöglich zum Sprung auf den Relegationsplatz, ein zweiter führt wahrscheinlich schon komplett aus den Abstiegsrängen heraus.

10:45 Uhr: Wenn Hannover 96 die Probleme im Umfeld nicht rasch in den Griff bekommt, ist der Klub für mich ein ernster Anwärter für einen der letzten drei Plätze in der Abschlusstabelle – auch wenn man sich mit detaillierten Prognosen zum Ausgang des Abstiegskampfes lieber zurückhalten sollte. Einzige Ausnahme: Der SC Paderborn wird als Tabellenletzter den Gang in die Zweite Liga antreten, und das mutmaßlich mit weniger als 30 Punkten (habe kurz überlegt, ob ich schreibe „mit weniger als 24 Punkten“, aber das wäre gemein).

„Wir haben heute gespielt wie ein Absteiger. Da brauchen wir nichts schönzureden“, hat selbst André Breitenreiter nach dem 0:4 gegen Eintracht Frankfurt gesagt. Dabei ist er als Trainer des SCP noch am ehesten zu einer optimistischen Sicht der Dinge verpflichtet. Aber woraus soll sich der Optimismus noch speisen? Selbst Kapitän Uwe Hünemeier hat eingeräumt: "Im Moment spricht nichts für uns." Paderborn hat zuletzt vier Mal hintereinander verloren. In acht der letzten neun Spiele hat die Mannschaft kein Tor erzielt – getroffen hat sie lediglich gegen Hannover. Kein anderer Bundesligist hat in der Rückrunde so wenige Treffer (zwei) erzielt wie Paderborn, dafür so viele kassiert wie kein zweiter (24). Von den vergangenen 15 Begegnungen hat der SCP ein einziges gewonnen – überraschenderweise gegen Hannover 96. Seitdem ist die Mannschaft von Platz sieben auf den Relegationsrang gestürzt. Dass es bisher nicht noch tiefer gegangen ist, liegt allein an der Schwäche der Konkurrenz. Aber darauf sollte man sich auf Dauer lieber nicht verlassen, nicht einmal im Abstiegskampf.

Im Fokus der Fans: 96-Präsident Martin Kind.

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10:05 Uhr: Der Unmut der 96-Fans richtet sich in erster Linie gegen den Präsidenten Martin Kind und seinen autoritären Führungsstil. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat dem erfolgreichen Unternehmer und zuletzt nicht ganz so erfolgreichen Fußballfunktionär in ihrer jüngsten Ausgabe ein ausführliches Porträt gewidmet, das in der Printausgabe unter dem Titel „Der letzte Patriarch“ erschienen ist und online unter „Der Feind im eigenen Klub“. Kind ist nicht nur für viele Anhänger der 96er ein Feindbild, er ist für die gesamte Ultrabewegung ein rotes Tuch. Am Sonntag in Mönchengladbach war zeitweise in der Nordkurve, also in der Kurve der Gladbacher, ein mächtiges Transparent zu sehen: „Kind muss weg“.

Was dem 70-Jährigen von Fanseite vorgeworfen wird, kann man hier nachlesen. Für alle, denen das zu viel Stoff ist, eine Kurzzusammenfassung: Kind ist ein typisches Exemplar von erfolgreichem Unternehmer, der in den Fußball strebt, weil es dort neben monetärem Gewinn vor allem öffentliche Aufmerksamkeit gibt. Und der nicht versteht, dass der Fußball anders funktioniert als das normale Wirtschaftsleben, dass sich Erfolg letztlich eben nicht planen lässt. Die FAZ schreibt, das Bundesligageschäft „ist ihm bis zum heutigen Tag ziemlich rätselhaft, bisweilen unverständlich geblieben“.

Das hindert Kind allerdings nicht daran, sich ins Tagesgeschäft einzumischen, wenn er das für notwendig erachtet. Sein Trainer Tayfun Korkut steht in der Öffentlichkeit längst als Trainer auf Abruf da, weil Kind ihm vor zehn Tagen eine Art Ultimatum gestellt hat. Mit Blick auf die Spiele gegen Bayern, in Gladbach und gegen Dortmund hat Hannovers Präsident gesagt: „Drei Punkte sollten wir schon machen aus den drei Partien.“ Bisher sind es nach zwei dieser drei Spiele null – was streng genommen bedeutet: 96 und Korkut müssen am Samstag gegen den BVB gewinnen. So kann man sich – ohne Not – selbst in Bedrängnis bringen.

9:40 Uhr: „Hannovers Krise verschärft sich. Wenn nun die noch unter den Niedersachsen stehenden Teams mit dem Punktesammeln beginnen, wird es dramatisch“, schreibt der „Kicker“ über die Situation bei den 96ern. Die Analyse des Auftritts in Mönchengladbach liest sich so: „Kein Kombinationsfluss, zu wenig Laufbereitschaft von hintenheraus, so gut wie kein Durchsetzungsvermögen bei den Offensivspielern in ihren wenigen Aktionen.“ Die sportliche Misere ist das eine, was Hannover jedoch darüber hinaus besonders gefährdet, ist die Gesamtsituation in und um den Verein. Das, was ein Klub im Abstiegskampf braucht, geht den 96ern völlig ab: Geschlossenheit und vor allem die Unterstützung der Fans. Aus Protest gegen die Vereinspolitik und vor allem Präsident Martin Kind meiden die Ultras seit Saisonbeginn die Spiele der Profis und unterstützen stattdessen die U 23 in der viertklassigen Regionalliga. Die Folge: Hannovers Arena ist laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ das „Stadion mit der schlechtesten Stimmung“.

Vor einer Woche, vor dem Spiel gegen die Bayern, hat der Verein mit einem Offenen Brief versucht, die Fans zurückzugewinnen – und sie nur noch mehr vergrault. Kein Wort des Bedauerns, kein Eingeständnis eigener Fehler, stattdessen eine billige Ranschmeiße im verzweifelten Bemühen, die Fans zu mehr Lautstärke zu bewegen.

Zum Niederlegen. Hannovers Bilanz im Jahr 2015 fällt erschreckend aus.

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9:15 Uhr: Ein kleines Quiz zum Beginn der neuen Woche: Wer ist nach dem Tabellenletzten VfB Stuttgart die schlechteste Mannschaft der Rückrunde, mit - wie der VfB - drei Punkten aus acht Spielen? Wer ist die einzige Mannschaft neben dem Tabellenletzten VfB Stuttgart, die im Jahr 2015 noch kein einziges Bundesligaspiel gewonnen hat? Und wer wartet neben dem Tabellenletzten VfB Stuttgart jetzt schon am längsten auf einen Sieg, seit nun neun Spielen nämlich? A) der SC Paderborn? B) der SC Freiburg? Oder C) der Hamburger SV? Alles falsch. Die richtige Antwort lautet in allen drei Fällen: Hannover 96. Auf den ersten Blick sieht die Sache für die Niedersachsen noch recht komfortabel aus. Sie liegen in der Tabelle der Fußball-Bundesliga auf Platz 13, haben vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, fünf auf Platz 17. Aber die Tendenz zeigt eindeutig nach unten. Beim 0:2 am Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach waren die 96er über weite Strecken chancenlos, vor allem in der ersten Halbzeit spielten sie, ja, wie ein Absteiger. Wer hätte das vor der Saison gedacht, als die Hannoveraner allein für die beiden Offensivkräfte Joselu und Kiyotake rund zehn Millionen Euro ausgegeben habe und damit eher ihre Ambitionen Richtung Europapokal unterstrichen haben? Aber der Fußball ist nun mal nicht so beherrschbar wie, sagen wir, der Markt für Hörgeräte.

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