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Erbitterter Kampf. Pechstein fühlt sich ungerecht behandelt.

© dpa

Pechsteins Kampf: Sportrechtssystem ohne Alternative

Claudia Pechstein bläst zur Attacke auf das Rechtssystem im Sport. Andere Athleten stimmen in die Klage über beschnittene Zivilrechte ein. Verständlich, doch zum jetzigen System gibt es keine Alternative. Ein Kommentar.

Mich könnte es auch treffen. Das dürften die 55 Spitzensportler gedacht haben, die sich nach Claudia Pechsteins Aufruf gegen das bestehende Sportrechtssystem öffentlich auflehnen. Auch ich könnte einmal ungerecht vor einem Sportgericht behandelt werden, befürchten sie, und was bleibt dann? Jedenfalls nicht der Rechtsweg eines normalen Bürgers – den haben die Sportverbände verstellt. Wer bei Olympischen Spielen starten will, muss sich der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen und tritt schriftlich Möglichkeiten ab, vor einem ordentlichen Gericht Recht zu erstreiten. Das ist ein schwerwiegender Eingriff. Und dennoch gibt es dazu bisher keine Alternative.

Der Sport ist eine Welt mit eigenen Regeln. So ist beim Doping die Beweislast umgedreht. Wenn ein Athlet mit einer positiven Probe erwischt wird, muss er seine Unschuld beweisen und nicht das Sportgericht dessen Schuld. Pechstein ist das zum Verhängnis geworden. Sie ist zwar nie positiv getestet worden, doch die Sportgerichte haben schwankende Werte in ihrem Blut genauso behandelt. Ihre Unschuld konnte sie nicht beweisen. Und sie fand erst nach dem letzten Sportrechtsurteil Ärzte, die nahezu zweifelsfrei belegen konnten, dass eine vererbte Anomalie ihre Blutwerte zum Schwanken bringen. Die Sperre blieb.

Wenn nun Athleten einen Aufruf gegen das Sportrechtssystem unterzeichnet haben, dokumentieren sie damit zweierlei. Zum einen Sympathie für Pechsteins Kampf um Rehabilitierung. Zum anderen ihr Unbehagen wegen beschnittener Rechte.

Doch es reicht ein Gedankenspiel, um das bestehende System als einzig praktikables zu sehen. Der sportliche Wettbewerb ist international. Das Sportrecht auch. Alle Athleten auf der Welt werden nach denselben Regeln beurteilt, nach den selben Dopingrichtlinien gesperrt. Würde auf einmal staatliches Recht gelten, würde ein Sportler aus einem Land nach einem Dopingvergehen freigesprochen, ein anderer dagegen im Gefängnis landen. So unterschiedlich sind die Gesetze der Länder. Und auch vor einem staatlichen Gericht kann es Fehlverhalten und Irrtum geben.

Es ist verständlich, dass die Athleten sich dennoch beklagen. So wie gleiches Recht für alle, kann es eben auch gleiches Unrecht geben. Im Grunde ist es wie beim Phantomtor von Stefan Kießling. Es verletzt das Rechtsempfinden, aber wenn Entscheidungen des Schiedsrichters auf dem Rechtsweg angefochten werden könnten, wäre das Spiel kaputt. Doch so wie die Torlinientechnologie Ungerechtigkeit im Fußball mildern wird, könnte es auch im Sportrechtssystem Reformen geben. Etwa bei der Auswahl der Richter für Sportgerichte. Oder bei den Regeln.

Der Grundsatz muss bestehen bleiben, dass das Sportrecht das vorrangige ist. Aber das System kann besser werden. Inzwischen sind etwa die Dopingregeln weiterentwickelt worden. Nach den jetzigen Regeln würde Pechstein nicht mehr verurteilt werden. Ihr nützt das nichts mehr, aber allen, die in eine ähnliche Situation kommen werden.

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