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Sport: Peinlich berührt

Bei Hertha läuft derzeit nichts zusammen – das ist nicht allein die Schuld von Trainer Falko Götz

Berlin - Laufen regt an. Laufen macht den Kopf frei. Falko Götz läuft gern. Und es gibt Tage im Leben des Trainers von Hertha BSC, an denen würde er am liebsten nur laufen. So ein Tag war gestern. Götz lief noch, als die meisten Spieler ihr Auslaufen beendet hatten. Ein paar hundert Meter weiter wurden Fernsehkameras in Position gerückt und lauerten Reporter mit unangenehmen Fragen. Wäre Götz nicht hoch bezahlter Angestellter, er hätte weit weglaufen können, aber so drehte er auf dem Vereinsgelände ein paar Runden. Ungewollte Symbolik: Falko Götz dreht sich im Kreis. Als er die Journalisten erreichte, hatten ihn die Sorgen wieder eingeholt. Als Erstes sagte Götz: „Fußball besteht nicht nur aus guten Zeiten.“

Hertha BSC hat derzeit keinen guten Lauf. Man könnte auch sagen, derzeit läuft eigentlich gar nichts beim Berliner Bundesligisten. Und nun fordern einige bereits den Rauswurf des Trainers. Manager Dieter Hoeneß war gestern nicht zu sehen. Nach der 1:2-Niederlage gegen Schalke hatte Hoeneß sich mit einem knappen Satz in den Sonntag verabschiedet: „An einer Trainerdiskussion beteilige ich mich nicht.“ Das ist sein gutes Recht, aber auch eine ausgelassene Chance für eine Debatte. Krisenmanagement sieht anders aus. Die sportliche Bilanz ist alarmierend: ein Sieg in 15 Spielen, im Uefa-Cup droht das Aus und durch fünf Platzverweise in sieben Tagen ist der Kader ausgedünnt. Die Krise ist in Fahrt. Sie hat Falko Götz erfasst. „Der Trainer gehört zur Mannschaft, ich weiß nicht, ob es hilft, den Trainer in Frage zu stellen, aber ein Sieg muss schnell her“, sagt Yildiray Bastürk. Eine Floskel? Einen Schritt weiter geht Torwart Christian Fiedler, er sagt: „Klar, wenn der Erfolg ausbleibt, steht der Trainer zur Diskussion. Aber es bringt nichts, sich gegeneinander auszuspielen.“ Mehr will auch er nicht sagen.

Falko Götz ist nicht anzumerken, wie angekratzt er ist. Wenn er spricht, sucht er Augenkontakt, er wirkt nicht nervös, sein Stimme ist fest. Vielleicht spricht er etwas zu schnell. Er ist peinlich bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, sich rechtfertigen zu müssen. Die Mannschaft sei nicht 16., 17. oder 18., sondern stehe in der Tabelle auf Rang sieben. Zwar teile er die Meinung der kritischen Öffentlichkeit, dass die Mannschaft seit Wochen nicht gut spielt und die Punktausbeute fehlt, „aber die Hysterie, die geschürt wird, teile ich in keiner Weise“.

Falko Götz hat schon bessere Tage bei Hertha erlebt. Seitdem er die Mannschaft 2002 als Interimstrainer in den Uefa- Cup geführt hat, galt seine Beförderung zum Cheftrainer als logische Konsequenz. Bei Hertha wurde der Name Götz gleichgesetzt mit dynamischem Offensivfußball. Götz, das frische Gesicht der Branche, der Förderer der Jugend, ausgestattet mit moderner Fußballphilosophie und Berlin-Bonus. Die Lobpreisungen im Hertha-Haus gipfelten im vorigen Herbst in der vorzeitigen Vertragsverlängerung. „Hertha und Falko Götz, das passt einfach“, hatte Hoeneß auf der Mitgliederversammlung posaunt. Der Beifall war laut, aber nicht warm. Anders als sein Vorgänger Jürgen Röber, der bis zu seiner Suspendierung für die Fans „der beste Mann“ war, ist das emotionale Verhältnis zwischen Götz und Anhang bis heute distanziert geblieben.

In seinem Habitus taugt Götz wenig zum Volkstribun. Das muss kein Nachteil sein, fällt ihm aber in Zeiten wie diesen auf die Füße. Er lasse Angsthasenfußball spielen, halte stur an seinem Spielsystem fest, sei ungeduldig geworden im Umgang mit jungen Spielern, könne den mannschaftsinternen Konflikt der Generationen nicht lösen, lautet die gängige Kritik. Götz räumt ein, Fehler gemacht zu haben. Aber es spricht für den 43-Jährigen, dass er an diesem Tag wesentliche Ursachen für die gegenwärtige Misere für sich behält. Man würde es ihm als Rausrederei auslegen. Aber diese Ursachen, die in der Vergangenheit liegen, hat er genauso wenig zu verantworten wie Marcelinho, der divenhafte Star, der als zweiter Sündenbock hingestellt wird.

In der öffentlichen Wahrnehmung hat der Berliner Bundesligist an Charme verloren. Der Zuschauerzuspruch ist rückläufig, außerhalb der Region Berlin-Brandenburg wird Hertha kaum wahrgenommen. Bis heute hat Hertha kein Image gefunden. Eine seit Jahren verfehlte Transferpolitik hat den Verein in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht und den Spielerkader nachhaltig gehandicapt. Es mangelt dem Team an einer gesunden Altersstruktur, an Persönlichkeiten und an Ausstrahlung. Deshalb fällt es einem großen Teil der Öffentlichkeit schwer, sich mit dem Verein zu identifizieren. Diese Unzufriedenheit, die sich über Monate aufgestaut hat, kriegt jetzt Falko Götz zu spüren. Es trifft vielleicht den Falschen, aber so ist der Lauf der Dinge im Fußball.

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