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Sport: Pendeln nach Paris

Agassis Bezwinger Jérôme Haehnel leidet an Flugangst und fährt nur zu Turnieren in seiner Nähe

Metro-Linie neun oder zehn, Ausstieg Auteuil, dann noch einige Meter zu Fuß und schon ist man in Roland Garros. Für Jérôme Haehnel ist das perfekt: keine lange Anreise und vor allem keine mit dem Flugzeug. Denn der 23-jährige Franzose aus dem Elsass lebt seit einigen Jahren in Paris und leidet unter Flugangst. Deshalb hat die Nummer 271 der Welt bisher auch nur an kleineren Turnieren in Nachbarländern teilgenommen, die er mit dem Zug oder per Auto erreichen kann. Über die Qualifikation kam er ins Hauptfeld der French Open und durfte gleich in der ersten Runde gegen sein Idol Andre Agassi ran.

„Er ist einer meiner absoluten Lieblingsspieler, ihn habe ich schon im Fernsehen gesehen, als ich noch ein Jugendlicher war“, sagt Haehnel. Am Montag hatte er ihn auf dem Court Central Philippe-Chatrier direkt vor Augen auf der anderen Seite des Netzes. Die anfängliche Nervosität war schnell verflogen. Denn das war nicht mehr das Idol, das er aus dem Fernsehen kannte. Es war ein 34-jähriger Spieler am Ende seiner Karriere, der schlecht auf das Sandplatzspiel vorbereitet war und viele Fehler machte. Beinahe mühelos besiegte Haehnel den Amerikaner und die ehemalige Nummer eins der Welt mit 6:4, 7:6 und 6:3. „Ich habe völlig vergessen, wer da auf der anderen Seite steht. Ich wollte meine Gelegenheit nutzen, und er hat mich mit seinen Fehlern unterstützt. Ich bin froh, dass ich nicht nervös geworden bin, auch als es auf das Ende zuging und der Sieg zum Greifen nahe war“, sagt der junge Franzose.

Nicht nur Agassi hat Haehnel mit seinem couragierten Spiel überrascht, auch seinen ehemaligen Trainer Thierry Tulasne. „Jérôme hatte schon immer einen sehr guten Blick für das Spiel, aber seine große Schwäche war bisher die Psyche. Und damit hat er mich gegen Agassi wirklich verblüfft. Er hat die Angst abgelegt und sein Spiel sprechen lassen“, sagte Tulasne. Haehnel kam durch Zufall zum Tennis. „Mein Nachbar hat mir geraten, mit Tennis spielen anzufangen, und das war auch ein guter Tipp.“

Mit 18 Jahren ging er nach Paris und spielte im französischen Förderkader. Seit Ende vergangenen Jahres ist Haehnel ohne Trainer und nicht mehr in der Obhut des französischen Tennisverbandes. „Ich fühle mich seitdem viel besser“, sagt Haehnel. „Ich stelle mein eigenes Programm zusammen und fahre nur zu den Turnieren, zu denen ich auch wirklich will.“ Die Besprechung nach den Spielen macht er ebenfalls nicht mehr mit den Verbandstrainern, sondern mit sich selbst. „Und natürlich mit meiner Freundin.“ An seinem täglichen Programm will Haehnel nichts ändern. Schon gar nicht diese Woche. „Ich werde auch in diesen Tagen mit meiner Freundin ins Kino gehen und etwas trainieren.“

Ob sein Gegner vom Montag bald auch wieder mehr ins Kino gehen wird, ist noch fraglich. Auf jeden Fall war Andre Agassi nach seiner zweiten Erstrunden- Niederlage innerhalb einer Woche schwer enttäuscht. Bereits beim Turnier in St. Pölten in Österreich war es ein junger Spieler namens Zimonjic, Nummer 339 der Welt, der ihn in der ersten Runde nach Hause schickte. „Ich habe mich nie wohl gefühlt auf dem Platz und bin nicht ins Spiel gekommen“, sagte Agassi. Dabei machte er in Trainingsspielen gegen Sebastian Grosjean und Andy Roddick keinen schlechten Eindruck. „Aber meine Vorbereitung auf die Sandplatzspiele war einfach nicht ausreichend“, sagte Agassi. Außerdem sei sein Gegner diesmal sehr stark gewesen.

Ob er noch einmal nach Paris zurückkommen wird, ließ der French-Open-Sieger von 1999 offen. „In meinem Alter ist das schwer zu sagen.“ Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass Haehnel im nächsten Jahr wieder nach Roland Garros reist. Weil er nach diesem Erfolg mehr Turniere spielen könnte, muss er dann vielleicht sogar mit dem Flugzeug kommen.

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