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Sport: Perfektionist aus Italien

Der neue Bundestrainer Giovanni Guidetti begeistert die deutschen Volleyballerinnen vor der WM

Wenn Deutschlands Volleyballerinnen die Weltmeisterschaft in Japan ins Visier nehmen, geht der Blick zurück ins Jahr 1998. Damals erlebten sie eine ihrer schwärzesten Stunden, die sensationelle Auftaktniederlage gegen das damals international völlig unbedeutende Team aus der Dominikanischen Republik bedeutete das schnelle Vorrunden-Aus und zugleich das Ende der Ära von Siegfried Köhler als Bundestrainer. Am Dienstag (6 Uhr, MEZ) muss das Team des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) erneut gegen die langen und sprungkräftigen Spielerinnen von der Karibikinsel antreten, doch Giovanni Guidetti sagt: „Ich weiß nichts über das damalige Spiel, und ich will auch nichts darüber wissen.“

Die Reaktion ist typisch. Grübeln liegt Guidetti nicht. Stattdessen schaut er lieber voller Zuversicht und Tatendrang nach vorn. Über die Stärken seiner Mannschaft zu referieren, gehört zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Ein wahres Vergnügen sei es, mit diesen Spielerinnen zu arbeiten, erläutert der Bundestrainer, und wer diesem temperamentvollen Mann zuhört, ist geneigt, jedes Wort zu glauben. Es ist ein Erlebnis, mit Guidetti an einem Tisch zu sitzen und seinem Stakkato aus englischen Sätzen mit italienischem Akzent zu lauschen. Dabei bekommt der Zuhörer eine Vorstellung, warum die Spielerinnen ihren Trainer genauso schätzen wie er sie.

Seit der 34-Jährige im April das Amt des Bundestrainers von seinem glücklosen Vorgänger Hee Wan Lee übernommen hat, herrscht eine neue Begeisterung in der Nationalmannschaft. Der quirlige Guidetti tritt dabei als Antipode zum stets in sich gekehrten Südkoreaner auf. Seine Spielerinnen, der Betreuerstab und die Funktionäre loben Guidetti für seine erfrischende Art. „Wir sind sehr zufrieden mit ihm“, sagt Götz Moser, DVV-Vizepräsident Sport. „Die Mannschaft hat unter ihm einen Sprung gemacht.“ Und die Hamburgerin Christina Benecke ergänzt: „Er hat viel Stimmung ins Team gebracht mit dem richtigen Maß von Zuckerbrot und Peitsche.“

Wobei Guidettis Ausbrüche gewöhnungsbedürftig waren. Kerstin Tzscherlich sagt, sie habe teilweise „mit offenem Mund zugeschaut, wie er uns nach Fehlern angeschrieen hat“. Mittlerweile hat die Dresdnerin gelernt, die beiden Gesichter ihres Trainers zu unterscheiden: „Giovanni tritt uns im Training richtig in den Arsch, aber wenn der Ball ruht, ist er ein Kumpel.“ Allerdings hat sich seit Guidettis Amtsantritt nicht nur der Umgangston geändert. Der Mann, der in seiner Heimat Italien trotz seines jungen Alters bereits zwei Mal zum Trainer des Jahres gewählt worden ist, bevorzugt einen akribischen Arbeitsstil und verlangt dies auch von den Spielerinnen. Sechs bis sieben Stunden täglich steht er mit seinem Team in der Halle, um die feinmotorischen Abläufe einzustudieren. Spielführerin Angelina Grün sagt: „Er verfolgt seine Ziele auf eine sehr konsequente Weise, fast perfektionistisch.“

Ob es reicht, die angestrebte Platzierung unter den besten Acht zu realisieren, bleibt trotz aller Anstrengungen dahingestellt. Zum einen, weil es die Vorrundengruppe B in Sapporo mit der Dominikanischen Republik, Mexiko, dem Olympiazweiten Russland, dem EM-Vierten Aserbaidschan und Olympiasieger China in sich hat. Zum anderen, weil es stets schwierig ist, das Leistungsvermögen der deutschen Frauen vorherzusagen. Glanzleistungen wie beim Gewinn von EM-Bronze 2003 oder bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2004 stehen stets Einbrüche wie bei der WM 2002 in heimischen Hallen oder bei der EM 2005 in Kroatien gegenüber.

Dass er ein Team betreut, das für Überraschungen jeder Art gut ist, weiß Guidetti. „Wir können alle schlagen“, sagt der Bundestrainer, „aber auch gegen alle verlieren.“

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