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Pferderennen: Mit Sekt und System

Wie Fußballer Mario Basler, Manager Roger Wittmann und der frühere Tennisstar Anke Huber den erfolgreichsten Trabrennstall Deutschlands formten.

Mengkofen, ein verschlafenes Städtchen in Bayern. Wenn Alfred Winzig morgens um sechs Uhr seinen ersten Rundgang durch das an einem Wald gelegene Gestüt Catch Glory dreht, beginnt für ihn ein langer Tag. Etwa ein Dutzend Pferde müssen versorgt, gefüttert und vor allem bewegt werden. Ein hartes Stück Arbeit für den Trabertrainer, der in seiner Karriere schon viele Sulkyrennen gewann. Trotz dieses Pensums macht sich Zufriedenheit auf seinem Gesicht breit. „Die Gestütsbesitzer haben unheimlichen Schwung in die Sache gebracht“, sagt Winzig. „Obwohl sie nicht aus dem Pferdesport kommen, haben sie ihre Erfahrungen und Ideen eingebracht und uns Traberleuten ganz neue Denkanstöße gegeben.“

Die Gestütsbesitzer, die Catch Glory mit ihren Denkanstößen seit 2004 zum erfolgreichsten deutschen Rennstall geformt haben, sind Mario Basler, sein Schwager und Profispielerberater Roger Wittmann und dessen Lebensgefährtin Anke Huber. Wie aber kommen ein einstiger Fußball-Nationalspieler, sein Berater und eine frühere Spitzentennisspielerin zu einem Rennstall? Natürlich durch eine Schnapsidee. Mario Basler erinnert sich: „Mitte der neunziger Jahre, als ich noch in Bremen spielte, überraschte mich Roger mit einem Plan: Ich sollte mich zugunsten des Kinderhilfswerks Unicef bei einem Promirennen in den Sulky setzen. Ich sagte nur zu ihm: Du spinnst!“ Es kostete Wittmann etliche Biere und jede Menge Überredungsarbeit, um Basler von dem Vorhaben zu überzeugen.

Aus der vermeintlichen Schnapsidee wurde für Basler eine tiefe Beziehung zu den Pferden. Heute nutzt der Trainer des Regionalligisten SV Eintracht Trier 05 jede freie Minute, um sich auf dem Gestüt in den Sulky zu setzen und ein wenig durch den Wald zu fahren. Mehr als ein Dutzend Mal hat er sogar schon an richtigen Rennen teilgenommen. „Mich fasziniert vor allem die Dynamik: Es ist ein wahnsinniges Gefühl, ein Rennen zu fahren und im Höllentempo über die Piste zu jagen“, sagt der 40-Jährige. Dass der Pferdesport für ihn weit mehr als eine Laune ist, erkennt man auch daran, wie er über die Tiere spricht. „Die Traber gehören fest zur Familie“, sagt er. „Jedes Pferd hat seine ganz eigene Persönlichkeit.“

Auch Anke Huber hat eine Bindung zu den Pferden entwickelt. „Ich bewundere vor allem den grenzenlosen Leistungswillen der Pferde und das Vertrauen, das sie uns Menschen entgegenbringen“, sagt die 34-Jährige. „Sie würden alles für uns tun.“ Der Respekt vor den Pferden ist ihr auch anzumerken, wenn sie selbst einmal die Zügel in die Hand nimmt – was seltener als bei Basler der Fall ist. Ihre beiden Kinder sind da schon lockerer, „sie sind kaum von den Pferden zu trennen“. Zeitlich ist Huber aber noch mehr als Basler in das Gestüt involviert – mittlerweile ist es zwischen all den Reisen praktisch zum Hauptwohnsitz für sie und Wittmann geworden.

Die wichtigen Aufgaben überlassen Basler und Huber allerdings geübten Sulkyfahrern. In Abstimmung mit Wittmann, der die wirtschaftliche Planung des Gestüts übernimmt, wurde ein zukunftsweisendes System entwickelt. Im Gegensatz zur traditionellen Hierarchie des Trabrennsports, bei der ein einzelner Cheftrainer alle strategischen Entscheidungen trifft und die Pferde selbst im Rennen steuert, durchläuft jedes Pferd bei Catch Glory mehrere Stationen und wird von verschiedenen Menschen betreut. Der Trainer kümmert sich nur noch um die Vorbereitung – im Rennen nimmt dann ein anderer Fahrer die Leine in die Hand. Eine Struktur, die von den Konkurrenten zunächst belächelt wurde. Denn bisher galt die These, dass ein einzelner Sulkysportler sein Pferd viel besser kennt.

Doch die Erfolge geben dem Trio Recht. In der letzten Saison verbuchte Catch Glory Prämien in Höhe von weit über 400 000 Euro – fast doppelt so viel wie jeder andere deutsche Stall. Noch bemerkenswerter ist dies, weil es ohne aufgekaufte Starpferde gelang. Stattdessen brachte das neue System selbst zwei Stars hervor: die beiden Hengste Early Maker und Igor Font, die schon mehr als 700 000 Euro Preisgeld erkämpft haben.

Besonders Igor Font scheint vor einer großen Zukunft zu stehen. Er ist das beste junge Trabrennpferd Europas und lief bereits Weltrekordzeit. „Roger hat mir in einer Sektlaune versprochen, dass wir einmal das beste Pferd der Welt besitzen werden“, sagt Basler stolz. „Igor Font kommt diesem Ziel tatsächlich nahe.“ Wittmann sieht das ähnlich, benutzt dafür aber ein Bild aus seinem Hauptberuf. Der zweite Platz in Cagnes-sur-Mer beim Gran Criterium de Vitesse Anfang März sei der „Eintritt in die Champions League“ gewesen. „Jetzt wollen wir auch drin bleiben.“ Und sie dann auch irgendwann gewinnen.

Heiko Lingk[Mengkofen]

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