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Getroffen. Stefan Kießlings Kopfballtor wird wohl nicht aberkannt.

© AFP

Phantomtor-Prozess: Warum Hoffenheims Einspruch heute wenig Chancen hat

Heute ab 10.30 Uhr verhandelt der Deutsche Fußball-Bund Hoffenheims Einspruch gegen das Phantomtor. Doch die Hoffenheimer haben nur wenige Chancen.

Der große Saal in der DFB-Zentrale ist vorsichtshalber bis 20 Uhr geblockt. Aber so lange soll es nicht dauern, wenn das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes am Montag über das Phantomtor des Leverkuseners Stefan Kießling und den Hoffenheimer Antrag auf Spielwiederholung verhandelt (was das Sportgericht entschieden hat, lesen Sie hier). Hans E. Lorenz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, hat um 18 Uhr einen wichtigen Termin. Er wird dann bei seinem Zahnarzt erwartet. Und diesen Termin würde er nur ungern verschieben.

Die TSG Hoffenheim wird mit ihrer Argumentation zum Phantomtor wohl nicht durchkommen

Die Chancen, dass Lorenz rechtzeitig auf dem Behandlungsstuhl liegt, stehen nicht schlecht. Anders als bei der letzten großen Verhandlung, die der Richter zu leiten hatte (Herthas Einspruch gegen das Ergebnis der Relegation in Düsseldorf), ist diesmal keine ausschweifende und zeitraubende Zeugenvernehmung zu erwarten. Geladen sind lediglich sechs Zeugen, die alle von der TSG benannt wurden: der vermeintliche Torschütze Kießling, Schiedsrichter Felix Brych, seine beiden Assistenten sowie die beiden Hoffenheimer Platzwarte. Unter anderem auf deren Aussage stützt sich die TSG in ihrer Hoffnung, dass das Spielergebnis (2:1 für Leverkusen) annulliert und die Begegnung neu angesetzt wird.

Wenn die Platzwarte bezeugen, dass das Tornetz beim Anpfiff noch intakt war und das Loch erst im Laufe des Spiels ins Netz gerissen wurde, könnten die Hoffenheimer als Ausrichter dafür nicht in Haftung genommen werden. Juristisch, so die Argumentation der TSG, handelte es sich dann um ein unabwendbares Ereignis. Doch vermutlich werden die Hoffenheimer mit dieser Argumentation nicht durchkommen – weil der DFB nach Informationen des Tagesspiegels Bilder besitzt, die belegen, dass das Netz schon vor dem Spiel, beim Warmmachen der Mannschaften, löchrig war.

Tatsachenentscheidungen sind der Fifa heilig

So wie es anfangs eindeutig schien, dass die Spielwertung keinen Bestand haben könne, so eindeutig hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Hoffenheimer vor der Sportgerichtsbarkeit nur geringe Erfolgschancen haben. Im Zweifel, so der allgemeine Tenor, würden sie ohnehin am Weltverband Fifa scheitern, der die Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters für heilig erklärt hat. Der Vermutung, dass das DFB-Sportgericht gleich in vorauseilendem Gehorsam vor der Fifa gegen Hoffenheim entscheiden werde, widerspricht Rainer Koch jedoch ganz entschieden. „Das ist keine Frage von vorauseilendem Gehorsam“, sagt der DFB-Vizepräsident, der für Rechtsfragen zuständig ist. Der DFB könne ein Spiel nur wiederholen lassen, wenn die Fifa dies auch billige, und als Einspruchsgrund komme lediglich ein Regelverstoß des Schiedsrichters in Frage.

Den wird die TSG heute vor dem Sportgericht in ihrem Sinne zu konstruieren versuchen. Die Hoffenheimer werden argumentieren, dass Schiedsrichter Brych ein Tor gegeben habe, von dessen Rechtmäßigkeit er nicht zweifelsfrei überzeugt gewesen sei. In ihren Augen ist das ein Regelverstoß. DFB-Vizepräsident Koch hält diese Argumentation für nicht besonders schlüssig. Dass Brych im ersten Moment Zweifel an Kießlings Treffer hatte, besage gar nichts. Schließlich habe sich der Schiedsrichter anschließend kundig zu machen, nicht nur bei seinem Assistenten, der das Tor angezeigt hatte, sondern auch bei Kießling. „Es wird sicher sehr schwierig, einen Regelverstoß zu erkennen“, sagt Koch. Und selbst wenn das Sportgericht unter Vorsitz von Hans E. Lorenz dies so sehe, müsste die Fifa anschließend noch zum selben Ergebnis kommen, damit ein Wiederholungsspiel rechtens wäre.

Moralisch ist der Fall des Phantomtores klar

Die moralische Bewertung des Falles ist klar: Der TSG Hoffenheim ist durch das Tor, das keines war, Unrecht geschehen. Dass die juristische Bewertung wohl anders ausfallen wird, könnte die allgemeine Empörung noch einmal befeuern – und den Druck auf die Deutsche Fußball-Liga erhöhen, endlich technische Hilfsmittel für den Schiedsrichter zuzulassen. Trotzdem sagt Ligapräsident Reinhard Rauball: „Wir lassen uns jetzt nicht treiben. Wir halten an unserem Zeitplan fest.“ Vor 2015 wird es in der Bundesliga keine Torlinientechnologie geben – egal wie Hans E. Lorenz heute entscheiden wird.

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