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Sport: Pokern statt punkten

Nationalspieler Herber darf bei Alba kaum spielen

Berlin - Am Donnerstagvormittag hat Johannes Herber Sprints trainiert, ohne Team, nur mit einem von Alba Berlins Athletiktrainern. Die Mannschaftskollegen ruhten sich vom Spiel gegen Jerusalem (77:92) aus, Herber versuchte, erstmal ins Schwitzen zu kommen. Er hatte am Vorabend als einziger Berliner keine Minute gespielt.

Bei der Basketball-WM in Japan im August hatte der 23-Jährige meistens rund 15 Minuten Einsatzzeit bekommen, manchmal mehr. So wichtig Herber für die Nationalmannschaft war, so unwichtig ist er derzeit für den Tabellenführer der Bundesliga, bei dem er seine Rolle noch nicht gefunden hat.

In zehn Spielen durfte er im Schnitt sieben Minuten mitwirken, Tendenz fallend. Er hat insgesamt nur sieben Punkte gemacht. „Anfangs war die Chance da, und ich habe sie nicht genutzt. Dann war ich verunsichert und habe nicht mehr so viele Chancen bekommen“, analysiert der Aufbauspieler seine Lage. Alles sei eine Frage der Zeit, hat Trainer Henrik Rödl vor kurzem über Johannes Herber gesagt, „er wird noch ein wichtiger Faktor werden. Die Umstellung vom College ist riesig.“

Das sieht auch Herber so. In den vier Jahren im Städtchen Morgantown war er „einer der Leitwölfe“, hier ist er vorerst Mitläufer. Er muss sich an ein schnelleres Spiel und eine andere Taktik gewöhnen. Und daran, dass Basketball nicht der Lebensmittelpunkt der Menschen ist. „West Virginia ist ein bisschen das Ostfriesland von Amerika. Es gilt als hinterwäldlerisch“, erzählt Johannes Herber. Aber der Zusammenhalt der Menschen sei so riesig wie die Leidenschaft für die Collegeteams. Herber war es gewohnt, beim Einkaufen Autogramme zu geben. „Man braucht Popularität nicht. Aber man kann nicht sagen, dass sie keine Bestätigung ist“, gibt er zu. Diese Bestätigung bleibt nun in Berlin aus.

Mit zwei Politik-Studenten wohnt Johannes Herber, der nach seinem bald beginnenden Zivildienst beim Olympiastützpunkt sein Politikstudium fortsetzen will, in einer Wohngemeinschaft in Prenzlauer Berg und spielt begeistert, wenn auch meistens erfolglos, Poker.

Pokern statt studieren, auch das ist neu. In den USA wurde Herber als „Academic All American of the year“ ausgezeichnet, eine dort hoch angesehene Ehrung für exzellente Leistungen im sportlichen und akademischen Bereich. Ein bisschen fehlt dem Profi nun der geistige Ausgleich zum Basketball. Er liest Botho Strauß und hat eine eigene Kolumne in der neuen Basketball-Zeitschrift „Five“, in der er seinen Sport, Philosophie und Literatur stilsicher zusammenbringt. Die neueste Folge passt zu seiner Situation bei Albas Basketballern, es geht um den Umgang mit Selbstzweifeln nach Misserfolgen. Herber zitiert Rousseau: „Der Mensch ist nicht zum Nachdenken geschaffen, sondern zum Handeln.“

Handeln will Johannes Herber schon heute (18.30 Uhr, Max-Schmeling- Halle) – gegen die Brose Baskets Bamberg.

Helen Ruwald

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