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Sport: Polnisches Roulette

In Polen und der Ukraine geht der Stadionbau für die nächste EM nicht voran. Jetzt macht Uefa-Präsident Platini Druck – und droht damit, das Turnier 2012 anderswo auszutragen

Ratlose Fußballfans rätseln. Wer ist eigentlich die Uefa? Sind das die Freiwilligen in ihren hellblauen T-Shirts, die hilfsbereit in Basel, Genf, Innsbruck oder Wien Auskunft geben? Oder stehen für die Uefa eher die Securities in ihren schwarzen Anzügen stramm, die meist finster schauen, wenn irgendein Wichtiger dieser Fußball-Welt an einem Spielort auftaucht? Dann trifft man unweigerlich auch offizielle Offiziere an, die Anstecker mit der Aufschrift Uefa tragen, immer beschäftigt, immer verkabelt, immer wichtig. Alle Spuren sind richtig – all diese Menschen, schätzungsweise 10 000, haben der „Union des Associations Europeennes de Football“, kurz Uefa, bei dieser Europameisterschaft gedient. Und das bestens. „Alles war wunderbar, alles war wundervoll“, hat ihr Präsident Michel Platini jetzt gesagt. Eine feine Geste des Franzosen. Aber die Uefa habe ja nun mal die Aufgabe, „die Menschen mit Fußball glücklich zu machen und ein schönes Image zu vermitteln“.

Die Uefa – ein Gutmensch? In Wahrheit ist die vor 54 Jahren in Bern gegründete und nunmehr in Nyon residierende Konföderation einzig und allein ein höchst profitables Weltunternehmen. Respektable 1,25 Milliarden Euro zieht der Gigant vom Genfer See aus diesem Championat, 56 Prozent mehr als vor vier Jahren in Portugal. Und der operative Gewinn beträgt unglaubliche 650 Millionen Euro. Auch wenn von den gewaltigen Summen, für die maßgeblich die Einnahmesteigerungen bei den Medien- und Marketingrechten sorgten, etliches wieder an die 53 Mitgliederverbände zurückfließt, so verbleibt doch ein hübscher Anteil bei der Uefa, „beim Haus des Fußball“, wie der eloquente Boss Platini klarstellt.

Fraglich aber ist, ob sich die Rekordwerte in vier Jahren weiter steigern lassen. Platini und seinen Gefolgsleuten dämmert, dass die Vergabe der EM 2012 nach Polen und in die Ukraine ein ähnliches Eigentor sein könnte, wie es die Fifa mit der WM 2010 für Südafrika vermutlich fabriziert hat. Neben politischen Irrungen und Wirrungen in den auserkorenen Ausrichterländern sind es Mängel in der Infrastruktur, beim Transport und bedingt auch in Sicherheitsfragen, die den Funktionären nun Kopfzerbrechen bereiten. Und in Polen weiß noch keiner, wer genau die Modernisierung der Spielstätten in Gdansk, Chorzow oder Krakow finanzieren soll, in der Ukraine wird wenig ergiebig darum gestritten, wer überhaupt die Betonschüssel in Kiew umbauen soll. Kaum eine Frist, die bislang dort eingehalten wurde. Dem Uefa-Präsidenten wird das zu bunt: Der 53-Jährige bricht am Mittwoch mit einer Delegation nach Kiew und Warschau auf, um Politiker und Verbandspräsidenten die Pistole auf die Brust zu setzen. Den Druck auf die Verantwortungsträger im Osten Europas hat der französische Strippenzieher schon mal erhöht. „Ich werde Dossiers in verschiedenen Farben dabei haben, in denen alle Probleme aufgelistet sind. Und diese Dossiers sind nicht dünn“, sagte Platini in sarkastischem Tonfall und drohte: „Sollte es in den Hauptstädten Kiew und Warschau keine Stadien geben, gehen wir nicht dahin. Es gibt einiges zu klären. Die Liste ist lang.“ Die Zeit drängt: Bereits auf der Sitzung des Uefa-Exekutivkomitees am 24. und 25. September in Bordeaux soll eine Entscheidung fallen. Als Ersatzkandidaten kommen Spanien oder Italien in Frage, obwohl der Uefa-Boss Gerüchten widersprach, er habe speziell mit spanischen Verbandsvertretern schon mal vorsorglich über die Rolle als Ersatzausrichter gesprochen. Sinn würde das machen: Nach der WM 1982 wartet die iberische Halbinsel längst auf ein weiteres Fußball-Großereignis, neue Arenen wie in Valencia werden ohnehin gebaut, und der Erfolg der Spanier bei dieser EM hat sogar Begeisterung für die eigene Nationalelf entfacht.

In Bordeaux wird die Uefa auch entscheiden, ob die EM künftig mit 24 statt 16 Mannschaften gespielt wird. Platini zählte auf, wer alles dieses Championat noch hätte bereichern können: „England, Irland, Schottland, Bulgarien, Serbien oder Belgien.“ Die Präsidenten der 53 Mitgliedsverbände der Uefa haben sich am Wochenende in Wien bereits geschlossen für eine Aufstockung auf 24 Mannschaften ausgesprochen.

Die Aufstockung dürfte allein von wirtschaftlichen Motiven gelenkt sein. Dazu zählt auch, dass künftig die Mindestkapazität eines EM-Stadions von derzeit 30 000 auf rund 35 000 erhöht werden soll. An einer weiteren Stellschraube möchte Martin Kallen, Geschäftsführer der für die Gesamtorganisation verantwortlichen „Euro 2008 SA“, drehen. „Der Schwarzmarkt hat geblüht wie verrückt“, hat der 44-jährige Turnierdirektor festgestellt, „das hat uns nicht gefallen.“ Zum einen seien Tickets im großen Stil veräußert worden, zum anderen horrende Preise verlangt und gezahlt worden. Doch wie die ewig vertrackte Situation mit den Eintrittskarten aufgelöst werden könne, darauf weiß Kallen auch keine Antwort.

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