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Sport: Portugals Hoffenheim

Ein Kleinklub aus dem Hafenstädtchen Matosinhos führt überraschend die Fußballliga an

Wir sind alle explodiert“, sagt Hans-Peter Berger. Nach einer kleinen gedanklichen Pause ergänzt er: „Es ist wirklich schwer zu erklären.“ Berger ist Torhüter, genauer gesagt Ersatztorhüter, beim portugiesischen Erstligisten Leixoes Matosinhos SC. Die Frage, die der Österreicher zu beantworten versucht, treibt seit Wochen auch Portugals Fußballexperten um. Warum führt dieser kleine Klub aus dem Hafenstädtchen Matosinhos nördlich von Porto seit vier Spieltagen die Tabelle an? Ein Verein, der in der vergangenen Saison mit nur vier Siegen gerade so als Aufsteiger den Klassenerhalt schaffte. Ein Verein, der einen Kader beschäftigt, dessen Marktwert bei rund 20 Millionen Euro liegt. Das ist ein Fünftel des Kader-Marktwertes des FC Porto. Nur einmal schaffte es der Verein außerhalb Portugals in die Kurzmeldungen. Das war 2002, Leixoes war nach dem 1.FC Union aus Berlin der zweite europäische Drittligist, der sich als Pokalfinalist für den Uefa-Cup qualifizierte.

„Unser Saisonziel bleibt der Klassenerhalt“, sagt der Neuzugang und frühere österreichische U-21-Nationaltorwart Berger. „Aber jetzt ist natürlich alles anders.“ In den Sechziger- und Siebzigerjahren spielte Matosinhos in der Ersten Liga gut mit und gewann 1961 sogar den Pokal. Bis Mitte der Neunzigerjahre war der Verein dann das Sinnbild für einen Zweitligisten, der immer knapp am Aufstieg scheitert. Aber in dieser Saison hat die Mannschaft von den bisherigen zehn Saisonspielen nur das erste verloren. Danach konnte das Team sieben Siege feiern, darunter Auswärtserfolge beim FC Porto und bei Sporting Lissabon. Die portugiesische Presse widmet dem Klub mittlerweile größte Aufmerksamkeit, auch „BBC“, „Eurosport“ und „France Football“ haben schon versucht, das Wunder von Leixoes zu erklären.

Der Erfolg hat Ursachen. Die erste ist vielleicht Trainer Jose Mota. Er selbst sagt nur: „Wir kennen unsere Grenzen.“ Derzeit spielt seine Mannschaft den von ihm verordneten schnellen Konterfußball mit wenigen Ballkontakten (ähnlich wie Hoffenheim) nahezu perfekt. Der 44-jährige Mota ist bei seinen Spielern sehr beliebt, denn er lässt ihnen auch die nötigen Freiräume. „Mota behandelt uns alle, als wären wir seine Brüder, und er ist nicht nachtragend“, erzählt Berger: „Es ist auch okay, mal zu spät zum Training kommen. Dann zahlt man seine Strafe – und fertig.“

Doch ohne drei Spieler, deren Leistungsniveau bisher wirklich explodiert ist, stünde Leixoes nicht an der Tabellenspitze. Der Brasilianer Wesley ist derzeit einer der besten Stürmer der Liga und erzielte schon sechs Tore. Der portugiesische Torhüter Beto glänzt konstant mit grandiosen Paraden, und der Mannschaftskapitän Bruno China spielt im zentralen Mittelfeld bisher so überragend, dass er schon als Portugals Michael Ballack hochgejubelt wird. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind Leixoes’ Fans, unter Portugals Anhängern gehören sie zu den heißblütigsten. Nicht nur bei Heimspielen kocht das kleine Estadio do Mar, auch auswärts reisen viele Fans mit, was für Portugal eher ungewöhnlich ist. Zur nächsten Partie am Montag bei Vitoria Guimaraes werden 7000 Leixoes-Anhänger erwartet. Eine letzte Ursache für die Tabellenführung des Klubs aus dem Hafenstädtchen ist die Schwäche der großen Drei. Der FC Porto, Sporting und Benfica Lissabon bleiben in der Liga derzeit weit hinter ihren Möglichkeiten. Am Sonntagabend kann Benfica den Außenseiter zumindest für eine Nacht von der Spitze verdrängen, mit einem Sieg in Guimaraes wäre Leixoes aber wieder ganz vorn.

Doch die drei portugiesischen Topklubs sowie Vereine aus dem Ausland haben bereits angekündigt, sich um Matosinhos’ beste Spieler im Winter zu bemühen. Ohne Wesley, Beto und Bruno China könnte das Wunder von Leixoes ganz schnell wieder vorbei sein.

Johannes Scharnbeck

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