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Sport: Preis der Deutschen Einheit: Siegesfreude bei achter Maß

Das Stoffbanner am Eingang der Galopprennbahn Hoppegarten könnte philosophischer nicht sein: "Wissen woher der Wind weht." Was eigentlich werbend zum Lesen der richtigen Zeitung einladen soll, muss dem Union-Klub fast als ironische Anspielung vorkommen.

Das Stoffbanner am Eingang der Galopprennbahn Hoppegarten könnte philosophischer nicht sein: "Wissen woher der Wind weht." Was eigentlich werbend zum Lesen der richtigen Zeitung einladen soll, muss dem Union-Klub fast als ironische Anspielung vorkommen. Bis vor wenigen Tagen wehte dem Betreiber der Galopprennbahn vor den Toren Berlins die finanzielle Misere noch kalt ins Gesicht. Zeitweilig schien der Sturm den Klub sogar in den Abgrund zu ziehen. Darum bewirkte die Rennveranstaltung am Tag der deutschen Einheit nur sonnige Gemüter unter den Organisatoren - im doppelten Sinne. 20 000 Zuschauer sorgten bei bestem Herbstwetter dafür, dass der Rückgang bei den Wettumsätzen im Vergleich zum Vorjahr geringer ausfiel, als befürchtet.

An eine derart volle Tribüne konnten sich sogar Stammzuschauer nur schwer erinnern. Die Galopprennbahn schien mit dem Publikumsansturm sogar an die Glanzzeit nach dem Mauerfall anzuknüpfen. Etliche Familien nutzten die äußeren Bedingungen und den günstigen Termin für einen Ausflug ins Grüne. Vielleicht wurden viele auch von der Tradition des Hauptrennens angezogen. Der Preis der deutschen Einheit gehört aus sportlicher Sicht schließlich zur ersten Liga der Galopprennen. Jene Stammzuschauer, die sich am beachtlichen Zuspruch erfreuten, dürften gleichzeitig aber auch mit Wehmut ins Jahr 1991 zurückgeblickt haben. Damals war das Rennen als Prix Zino Davidoff mit mehr als einer halben Million Mark dotiert, dem fünffachen des heutigen Preisgeldes. Der Zigarren-Guru hatte damals bei einer Pressekonferenz das Sponsoring spontan ersteigert, nachdem die Rennbahn in München den Berlinern das Ereignis hatte wegschnappen wollen.

Vielleicht lag es am geringen Preisgeld für ein Rennen der höchsten europäischen Kategorie, vielleicht an der großen Konkurrenz in Paris am Sonntag. Das Rennen in diesem Jahr war nicht so besetzt, wie zunächst erhofft. Nach der Absage von Elle Danzig schauten die Wetter vor allem auf Indian Ruby und Jockey Andreas Suborisc. Doch der Spitzenjockey konnte seiner Rolle nicht gerecht werden und musste drei anderen Galoppern den Vortritt lassen. Zum Ärger vieler Premieren-Wetter, die auf dieses so genannte Bank-Pferd gesetzt und so auf ein sicheres Geld gehofft hatten. Der fünfjährige Hengst Aboard mit Piotr Piotkowski im Sattel erlief am Ende die 60 000 Mark Siegerprämie für seinen Besitzer Helmut von Finck, der allerdings nicht nach Hoppegarten angereist war. Umso mehr freute sich der Münchner, als er bei der Siegerehrung die Nachricht über das Handy vernahm. "Ich sitze hier auf dem Oktoberfest und trinke gerade meine achte Maß Bier", übersetzte Moderator Ulli Potofski dem Publikum wohl eher frei den spontanen Gefühlsausbruch des Pferdebesitzers.

Während dann die deutsche Hymne für den Sieger erklang, waren viele Zocker schon wieder auf dem Weg zu den Wettbuden. Selbst bei diesem in Hoppegarten nicht alltäglichen Ritual. Vieles ist nach zehn Jahren Einheit eben Normalität, auch am Nationalfeiertag. Zum Glück für den Union-Klub.

Ingo Wolff

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