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Sport: Premiere mit Hindernissen

Jordan-Testpilot Timo Glock gibt in Montreal sein Formel-1-Debüt

Samstagmorgen, 7 Uhr 20: Im Laufschritt kommt Timo Glock ins Fahrerlager des Rennkurses von Montreal, er hat kaum Zeit, Glückwünsche entgegen zunehmen. „Danke, aber ich muss schnell rein zum Team!“, sagt er bloß. Er hat jetzt ein wichtige Aufgabe. Er muss am Sonntag beim Großen Preis von Kanada starten. Besser gesagt: Er darf. Es ist sein erster Grand-Prix-Einsatz überhaupt.

Bis jetzt war Timo Glock bei Jordan nur Testfahrer. Und an diesem Morgen war er sehr spät dran. Es hatte Probleme mit seinem Leihwagen gegeben, er konnte erst verspätet aus dem Hotel abfahren. Auf der Fahrt zur Strecke erst hatte er von seinem Boss Eddie Jordan erfahren, dass er am Sonntag neben Nick Heidfeld der zweite Jordan-Pilot sein würde. Und damit ist der 22-Jährige aus dem hessischen Unterflockenbach, der im vergangenen Jahr noch in der Formel 3 eingesetzt wurde, in dieser Saison der vierte Deutsche neben Michael und Ralf Schumacher sowie Nick Heidfeld, der in der Formel 1 fährt.

Seinen Aufstieg freilich verdankt er einer jener Possen, die es in der Formel 1 manchmal gibt. Denn der italienische Jordan-Stammpilot Giorgio Pantano, dem Sponsorengelder einen Start ermöglichen, stand plötzlich ohne finanzielle Mittel da. Allerdings nicht deshalb, weil seine Sponsoren nicht zahlen wollten. Pantanos Vater höchstpersönlich, so hieß es in italienischen Formel-1-Kreisen, habe die Gelder blockiert, weil er mit dem Management seines Sohnes nicht einverstanden sei. Pantano senior wolle auf diese Weise das Management „abschießen“. Was ihm da angeblich missfallen habe, blieb allerdings unklar.

Timo Glock ist das auch egal. Er darf beim Rennen ins Cockpit steigen, das ist wichtig. Angst vor der Aufgabe hat er nicht. „Das ist ja mein Job. Ich bin Test- und Ersatzfahrer, und wenn irgendeiner sich beim Fußballspielen das Bein verdreht hätte, dann hätte ich ja auch einspringen müssen.“ Der „Circuit Gilles Villeneuve“ ist allerdings nicht gerade die einfachste Strecke für den ersten Einsatz. „Natürlich wäre es am Nürburgring einfacher gewesen, weil ich den sehr gut kenne, aber jetzt kann ich wenigstens aus Montreal abreisen und sagen: Die Strecke kenne ich bis ins letzte Detail.“ Das erste Training am Freitag, das er noch ganz normal als dritter Fahrer absolvierte, hatte er freilich noch als „ein bisschen schwierig“ empfunden. Am Samstagmorgen war er dann der Erste, der auf die Strecke fuhr, trotz der Verspätung im Hotel. Denn jeder Kilometer vor dem Rennen zählt. „In der Formel 1 ist es doch sehr schwierig, wenn du nicht genügend Erfahrung und nicht genügend Testkilometer hast.“

Jetzt hat Glock erst mal ein Ziel: Er möchte nicht ausfallen. Dass er kaum durch eine spektakuläre Platzierung auffallen wird, das ist dem 22-Jährigen auch klar. Deshalb setzt er sich in diesem Punkt nicht unnötig unter Druck, da würde er nur verkrampfen. Marc Surer, der frühere Formel-1-Pilot aus der Schweiz, der heute als „Premiere“-Kommentator arbeitet, hat schon mal einen Tipp für den jungen Deutschen: „Am Start muss er ganz vorsichtig sein. Am besten ist es, wenn man sich aus allem heraushält, denn hier kracht es an der ersten Ecke doch fast immer. Und es sieht natürlich nicht gut aus, wenn dein erster Grand Prix schon nach 200 Metern zu Ende ist.“

Surer denkt da ganz pragmatisch. Da die Ausfallquote beim Grand Prix von Kanada generell sehr hoch ist, kommt man schon auf einem vernünftigen Platz ins Ziel, wenn man bloß die gesamte Renndistanz übersteht. Eddie Jordan dagegen treibt eine besondere Frage um: „Michael und Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen, Nick Heidfeld und jetzt Timo — sie alle sind bei mir gefahren oder sind derzeit bei mir unter Vertrag. Wann bekomme ich eigentlich die deutsche Ehren-Staatsbürgerschaft?“

Heute im Fernsehen:

Großer Preis von Kanada, live in RTL und Premiere

RENNBEGINN: 19 Uhr

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