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Visionär in der Leere. Deutsche Touristen sollten RCD Mallorca zu einer Art neunzehnten Bundesligisten machen, das war der Traum von Utz Claassen.

© Reuters

Profifußball auf Mallorca: Eine Insel sucht Anschluss

Der niedersächsische Manager Utz Claassen wollte RCD Mallorca zur dritten Kraft im spanischen Fußball machen – jetzt droht dem Verein der Abstieg in die Zweitklassigkeit.

Zu Ostern könnte es wieder besonders ruhig zugehen im Son Moix, dem Stadion von RCD Mallorca. Die Bewohner der spanischen Insel sind dafür bekannt, Sonn- und Feiertage ausgiebig und am liebsten im Kreise der Familie zu zelebrieren. Fußball spielt da eine untergeordnete Rolle. Auch an diesem Sonntag werden sich kaum mehr als die üblichen 13.000 Fans im Stadion verlieren. Dabei geht es beim Spiel gegen Deportivo La Coruña um viel. Mallorca befindet sich als Drittletzter der Primera Division in Abstiegsgefahr, gegen den Letzten muss der Klub unbedingt gewinnen, sonst schwinden allmählich die Abwehrkräfte im Abstiegssog.

Sportlich läuft es in dieser Saison überhaupt nicht, was auch mit der Situation im Verein zusammenhängt. Im Hintergrund tobt ein erbitterter Machtkampf, als Hauptfiguren duellieren sich: Der niedersächsische Manager Utz Claassen, in Deutschland aus seiner Zeit bei EnBW bekannt. Ihm gegenüber steht Llorenc Serra Ferrer, derzeit Sportdirektor, Mitglied des Verwaltungsrats, Vizepräsident und Interimspräsident. Beide sind zudem wichtige Aktionäre, Claassen hält 20 Prozent an dem Verein, Ferrer 55. Dazu kommen 25 Prozent von Pedro Terrasa, der Rest verteilt sich auf mehrere Kleinaktionäre.

Der Zwist zwischen den Lagern gipfelte im Dezember im Rücktritt von Präsident Jaume Cladera, der von Claassen vehement gefordert worden war. Wenig später wurde auch Trainer Joaquin Caparros entlassen. Als Nachfolger kam Gregorio Manzano. Für Utz Claassen ist die Personalie ein Skandal. „Laut Satzung hätte der Verwaltungsrat über den neuen Trainer entscheiden müssen. Das ist nicht geschehen. Ferrer hat Manzano in Eigenregie installiert, obwohl er dazu nicht berechtigt war.“ Claassen wollte einen anderen Trainer als Manzano.

Tatsächlich zeugt dessen Wahl von wenig Feingefühl. Zur ersten Trainingseinheit des neuen Trainers rückten einige Fans mit Schmähplakaten an und protestierten vehement. Manzano hatte die Anhänger während seiner früheren Amtszeit auf der Insel beleidigt – eben wegen ihres Desinteresses am Stadionbesuch.

Claassen polarisiert: Vordenker oder Besserwisser?

In Mallorcas gegenwärtiger Situation ist der Machtkampf zwischen Claassen und Ferrer für den Klub nicht förderlich. Laut Claassen fällt Ferrer alle wichtigen Entscheidungen allein. So ist bis heute ist kein neuer Präsident in Sicht, ein neuer Sportdirektor auch nicht. Dabei wird fähiges Personal dringend benötigt – nicht nur auf dem Platz. Der Klub ist hoch verschuldet, 2010 entzog der europäische Verband Uefa Mallorca deswegen das Startrecht für die Europa League. Nun muss der Verein laut einer Vereinbarung jährlich fünf Millionen Euro an Gläubiger zahlen. Was als Mitglied der Primera Division schon jedes Mal ein Kraftakt ist, würde als Zweitligist nahezu unmöglich werden. „Die Einnahmesituation in der zweiten Liga ist hier komplett anders als in Deutschland. Es gibt so gut wie kein Fernsehgeld, ein Überleben ist kaum möglich“, sagt Johannes Krayer, der als Journalist bei der „Mallorca-Zeitung“ regelmäßig über die Spiele des Inselklubs berichtet.

Der sportliche Abstieg würde für Mallorca wohl zur existenziellen Bedrohung werden. Utz Claassen will diese Meinung nicht teilen, muss aber zugeben, nicht zu wissen, was ein Abstieg finanziell anrichten würde. „Ich habe keine Informationen über unseren Liquiditätszustand und kann daher nicht abschätzen, was ein Abstieg finanziell anrichten würde“, sagt er.

Eines dürfte trotzdem klar sein: Claassens ehrgeizige Ziele würden sich erst einmal nicht verwirklichen lassen. Der Manager wollte Mallorca zur Nummer drei in Spanien machen – hinter Real Madrid und dem FC Barcelona. Und das nach Möglichkeit auch mit deutschen Spielern und Trainern. Claassen hoffte dadurch auf eine größere Identifikation der vielen deutschen Touristen. Eine Art neunzehnter Bundesligist, das war Claassens Vision.

In Spanien polarisiert Claassen wie schon in Deutschland. Während seiner kurzen Amtszeit als Präsident von Hannover 96 konnte er sich am Ende nur mit Sicherheitspersonal ins Stadion wagen, weil er die eigenen Anhänger gegen sich aufgebracht hatte. „Es gibt Leute auf Mallorca, die begrüßen seine sehr genauen Ideen. Andere wiederum sehen in ihm den Besserwisser, der immer mit dem Holzhammer draufhaut“, sagt Krayer.

Von seinem Ziel, RCD Mallorca zur Marke mit internationaler Strahlkraft zu machen, will sich Claassen nicht verabschieden. „Grundsätzlich würde der Abstieg an den Potenzialen nichts ändern“, sagt er. In der Segunda Division würde RCD Mallorca sicher noch weniger Publikum anziehen. Nicht nur an den Feiertagen.

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