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Ein Team, eine Flagge, ein gespaltenes Land. Die syrischen Spieler jubeln nach dem 2:2 gegen den Iran.

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Qualifikation zur Fußball-WM: Syriens geteilter Traum von der WM

Syrien kann sich erstmals für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifizieren. Doch die Mannschaft hat nicht nur Anhänger.

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Dem syrischen Nationalteam droht alles zu entgleiten. Am Dienstagabend läuft im Azadi-Stadion von Teheran die dritte Minute der Nachspielzeit – und in dem WM-Qualifikationsspiel gegen den Iran führt der Gastgeber 2:1. Die Syrer brauchen unbedingt noch ein Tor, um die Play-off-Runde für die WM in Russland zu erreichen. Da bekommt der Syrer Omar Al Soma noch einmal den Ball im Strafraum. Der Angreifer schießt mehr schlecht als recht, doch irgendwie findet der Ball den Weg durch die Beine des gegnerischen Torhüters über die Linie. Danach gibt es kein Halten mehr.

Der komplette Tross der syrischen Nationalmannschaft inklusive Ersatzspieler und Betreuer stürzt sich auf den Torschützen. Denn nun ist klar: Das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land ist der ersten WM-Teilnahme wieder etwas näher gerückt. Als Nächstes stehen die Asien-Play-offs gegen Australien an, danach winken Entscheidungsspiele gegen ein Team aus Nord- und Mittelamerika.

Eine Mannschaft kämpft um den Einzug bei einer Weltmeisterschaft, das klingt so normal. Doch das ist es beim syrischen Team nicht. Seit sechs Jahren herrscht dort Bürgerkrieg. Aus Sicherheitsgründen konnte die Mannschaft von Trainer Ayman al-Hakim seine Heimspiele nicht im eigenen Land austragen. So ging es ins Exil. Zunächst in den Oman, dann sogar noch weiter weg, nach Malaysia. Dort hat sich das Team nun einen eigenen Stamm an Fans aufgebaut. Bis zu 300 Leute besuchten ihre Spiele.

Das Team besteht aus regimetreuen Spielern

Und noch etwas macht die Sache kompliziert. Das Nationalteam besteht aus regimetreuen Spielern. Als zwei von ihnen sich zur Opposition bekannten, traten sie aus. Doch die beiden kehrten zurück. Der jetzige Kapitän, Firas Al Khatib, stammt aus Homs. Er sagte nach Beginn des Krieges, er wolle erst dann wieder mit dieser Mannschaft spielen, wenn das Regime die Bombardements stoppt. Nun ist er wieder dabei. Auch der politische Oppositionelle und Torschütze am Dienstagabend, Omar Al Soma, kehrte zurück. Warum, das weiß keiner genau.

Die Mannschaft ist wieder vereint. Doch in Berlin, wo tausende syrische Flüchtlinge leben, ist die Gemeinschaft gespalten. In der Sonnenallee, dem arabischen Zentrum der Stadt, gibt es viele Cafés, die die Spiele übertragen. Die meisten dort interessieren sich für die Partien ihrer Nationalmannschaft, egal, ob sie Assad oder die Opposition unterstützen. „Ich bin sehr froh, dass unsere Mannschaft bis jetzt gekämpft und versucht hat, uns glücklich zu machen, obwohl sie niemals in Syrien gespielt haben“, sagt Johnny Jakob aus Aleppo. „Politik hat die Syrer inzwischen so weit voneinander entfernt, vielleicht kann Sport uns einander näher bringen.“ Wenn Jakob die Spiele in der Sonnenallee schaut und Syrien ein Tor schießt, umarmt er denjenigen, der vor ihm sitzt – ohne zu fragen, welche politische Einstellung er hat.

Genau das können und wollen einige nicht trennen. Für sie gehört die Mannschaft zur Regierung und nicht zur Bevölkerung. Einer von ihnen ist Nasir al Ahmad. Der 24-Jährige will nicht vergessen, wie Assad seine Heimat zerstört hat. „Dieses Team gehört nicht zu uns, sie gehört zu Bashar al Assad, der hunderttausende Menschen ermordet und Millionen Syrer in die Flucht getrieben hat. Wegen ihm sind wir heute als Flüchtlinge auf der ganzen Welt verstreut.“

Zweifel an der Regimetreue der Spieler hat er nicht: „Der Trainer und manche Spieler tragen unter ihren Trikots T-Shirts mit dem Konterfei von Assad. Wie kann ich Fan dieser Mannschaft sein?“ Ihm ist egal, ob sie sich für die WM qualifizieren.

Heimspiele im Exil, ein Team, das von Regimetreuen dominiert wird – der Fußballweltverband Fifa hält sich bislang komplett raus aus der Causa und versteckt sich hinter seinem Postulat, dass man Politik und Sport trennen müsse. Dennoch hat der Erfolg des syrischen Nationalteams den Fans ein Stück Normalität zurückgegeben. Noch vier Spiele und die Normalität könnte sogar in Euphorie umschlagen.

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