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Rad-WM

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Rad-WM: Nur auf dem Wasen wird gefeiert

Stuttgart bereut die Ausrichtung der Rad-Weltmeisterschaft – dem Weltverband geht es ähnlich.

„Schön, dass die Sonne da ist“, sagt Pat McQuaid. Ja, es gibt noch gute Nachrichten aus Stuttgart, Hoch „Katrin“ weht sie in den schwäbischen Talkessel: 20 Grad Celsius und leichter Wind, beste Voraussetzungen für das heutige Straßenrennen, den Höhepunkt bei den Rad-Weltmeisterschaften in Stuttgart. Pat McQuaid ist der Präsident des Weltverbandes UCI und als solcher, nun ja, ein wenig ins Gerede gekommen während der jüngsten Stuttgarter Chaostage. Es ist hier viel über Doping geredet worden und wenig über Radsport, und daran ist Mister McQuaid nicht ganz schuldlos mit seinem eher laxen Verhältnis zu den chemischen Fitmachern. Passend dazu prägte Dauerregen die ersten Weltmeisterschaftstage.

Am Samstag ist nun endlich die Sonne herausgekommen. Pat McQuaid sitzt im Keller des Messezentrums und zieht seine Bilanz, die mehr eine Vorausschau ist. „Was wir aus Stuttgart mitnehmen werden, ist das schöne Wetter vom Samstag und Sonntag“, sagt der Ire und bittet „meine lieben Freunde“ von der Weltpresse, diesen Eindruck hinaus in die Welt zu tragen. Es war nicht alles schlecht – mal abgesehen von den deutschen Organisatoren und „Politikern, die sich profilieren wollen und auf einen Zug aufgesprungen sind“.

McQuaid ist ein vierschrötiger Mann mit rotem Gesicht und randloser Brille. Er redet schnell und mit starkem irischen Akzent, gern auch über den schönen UCI-Kongress am Freitag, „die ganze Welt war da und sich einig, gegen Doping vorzugehen. Aber wir waren uns auch einig, dass allein die UCI Sanktionen verhängt“. Oder auch nicht verhängt. McQuaid betont noch einmal, wie glücklich er über die Entscheidung des Stuttgarter Landgerichts sei , eine einstweilige Verfügung der Stadt gegen den dopingbelasteten Titelverteidiger Paolo Bettini zurückzuweisen. „Diese Rechtsauffassung deckt sich mit dem, was ich seit einem halben Jahr sage.“ Inzwischen will Bettini gegen die Stadt Stuttgart, das Organisationskomitee und das ZDF mit einer Verleumdungsklage vorgehen.

Kein einziges Mal in seiner 25-minütigen Rede erwähnt McQuaid seine Gegenspielerin Susanne Eisenmann. Von der Stuttgarter Sportbürgermeisterin war vor der WM nur bekannt, dass sie mal Referentin des Ministerpräsidenten Günther Oettinger war und über „das volkstümliche Element in den deutschen Predigten des Geiler von Kaysersberg“ promoviert hat. Seit Mittwoch ist sie die bekannteste Kommunalpolitikerin Deutschlands, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt. Frau Eisenmann hat sich mit den Mächtigen des Radsports angelegt und ist vor Gericht gezogen, um Bettinis Start zu verhindern. In der Sache hat sie wenig erreicht und steht doch weltweit für den Anspruch ihrer Stadt, kompromisslos gegen Doping zu kämpfen. Die „Stuttgarter Zeitung“ bezeichnet die Sportbürgermeisterin schon als die „Jeanne d’Arc des Anti-Doping-Kampfes“.

Für die andere Seite ist sie die Sportverhinderin, die profilierungssüchtige Provinzpolitikerin, Rudi Altig nennt sie „die Ziege aus dem Rathaus“. Altig trug als aktiver Radprofi den Spitznamen „rollende Apotheke“ und hat naturgemäß ein etwas anderes Verhältnis zum Doping als Frau Eisenmann. Er ist noch gegen Eddy Merckx gefahren, den Weltstar der sechziger und siebziger Jahre, dem die Stuttgarter eine VIP-Akkreditierung verweigert haben. Pat McQuaid hat geschäumt vor Wut und konnte doch wenig ausrichten, denn er selbst hatte am 26. Juli eine Übereinkunft unterschrieben, in der laut Absatz 4 e „ehemals gedopte Radfahrer … weder Akkreditierung noch VIP-Karten bekommen, da sie unerwünschte Personen sind“. Merckx war in seiner Karriere dreimal positiv getestet worden.

Wie oft wird McQuaid die vor vier Jahren getroffene Entscheidung für Stuttgart bereut haben? Er sagt, vor zwei Monaten hätte die UCI die Veranstaltung noch an einen anderen Ort verlegen können, zum Beispiel nach Italien, „da ist die Begeisterung und Leidenschaft für unseren Sport so groß, dass sie am liebsten jedes Jahr eine Weltmeisterschaft ausrichten würden“. Im nächsten Jahr trifft sich die Radsportwelt in Varese, und man kann wohl davon ausgehen, dass dort weniger über das Thema Doping debattiert wird.

Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat am Freitag in einem Interview gesagt, seine Stadt würde sich unter den gegebenen Umständen nicht noch einmal um eine Rad-WM bewerben. Stuttgart nennt sich selbst Weltsporthauptstadt. Wie enthusiastisch wurde die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der WM im vergangenen Sommer nach dem Sieg im Spiel um Platz drei vor dem Hotel Steigenberger am Stuttgarter Hauptbahnhof gefeiert. Bei der Handball-WM im Januar war die Porsche-Arena auch bei den Spielen zwischen Marokko und Kroatien oder Russland und Südkorea ausverkauft. Bei der Turn-WM vor ein paar Wochen feierten allabendlich Tausende die Medaillenvergabe am Schlossplatz.

Die Radfahrer werden eher am Rande wahrgenommen. Am Samstagvormittag, als Pat McQuaid im Keller der Messe sein Grundsatzreferat hält, fahren oben die Frauen rund um den Killesberg ihre Weltmeisterin aus. Eine Kamera begleitet sie auf ihrem Rundkurs durch den Stuttgarter Norden, durch abgesperrte und menschenleere Straßen. Eine holländische Blaskapelle spielt auf, es gewinnt eine Italienerin. Und die Stuttgarter? Feiern ein paar Kilometer weiter südlich. Den Anstich bei ihrem Volksfest am Wasen.

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