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Eroberer der Herzen. Marco Pantani war einer der beliebtesten Radprofis der 90er. Der Bergspezialist gewann 1998 die Tour de France.

© dpa

Radsport: Der mysteriöse Tod des Marco Pantani

Vor zehn Jahren starb der Radprofi Marco Pantani an einer Überdosis Kokain – die Familie glaubt nicht an eine Drogenabhängigkeit des einstigen Tour-Siegers und will den Fall neu aufrollen.

„Lasst Pantani ruhen.“ Es war fast ein Mantra, das Giuseppe Martinelli im letzten halben Jahr auf den Lippen trug. Martinelli begleitete Marco Pantani als Sportlicher Leiter einst zu dessen Triumphen bei Tour de France und Giro d’Italia. Er war beim Team Astana auch der Chef des erfolgreichen Unternehmens „Toursieg 2014“ von Vincenzo Nibali. Weil die beiden größten italienischen Radprofis der letzten zwei Jahrzehnte allein wegen ihrer Größe gern verglichen werden und sich Pantanis mysteriöser Tod in diesem Jahr auch zum zehnten Male jährte, setzte eine regelrechte Pantani-Welle ein. Und Martinelli, der vor allem Image-Kollateralschäden seines neuen Stars vermeiden will, versuchte, die Welle zu bremsen.

Jetzt nimmt sie dennoch neue Fahrt auf. Nach Informationen der „Gazzetta dello Sport“ nahm die Staatsanwaltschaft Rimini die Ermittlungen wegen vermuteten Totschlags auf. Die Nachricht machte durch einen Facebook-Eintrag von Pantanis Mutter Tonina die Runde. Sie hatte in den letzten Jahren immer wieder betont, nicht an eine Überdosis Kokain als Todesursache zu glauben. „Marco war kein Drogenabhängiger“, sagte sie mehrfach. Gemeinsam mit einem auf rätselhafte Todesfälle spezialisierten Anwalt sammelte sie neue Indizien, die auf einen bewusst herbeigeführten Tod deuten könnten. Sie feiert die Aufnahme der Ermittlungen als „eine Etappe im Kampf um die Wahrheit“.

Die Staatsanwaltschaft ist deutlich vorsichtiger. „Wir haben die Unterlagen erhalten. Wenn eine Anzeige wegen versuchten Totschlags aufgegeben wird, ist es unsere Pflicht, eine Ermittlung einzuleiten. Wir werden die Unterlagen lesen und danach entscheiden“, teilte der Staatsanwalt Paolo Giovagnoli mit.

Um den Tod von Pantani gab es früh Mutmaßungen

Um den Tod von Pantani im Hotel „Le Rose“ in Rimini gab es früh Gerüchte und Mutmaßungen. „Marco war nicht allein im Zimmer, als er starb“, behauptete seine Mutter. Die Menge des Kokains, das in seinem Körper gefunden wurde – laut Autopsie die sechsfache Menge einer tödlichen Dosis – konnte zumindest Zweifel daran wecken, ob Pantani es aus eigenem Entschluss zu sich nahm.

„Er stand jemandem im Wege. Er wollte über Doping aussagen und das hat jemanden gestört“, meinte seine Mutter. Ein Mord zur Verschleierung von Doping wäre eine ganz neue Dimension im Zusammenhang mit diesem Krebsgeschwür des modernen Sports. Um Pantani rankten sich in der Vergangenheit aber noch andere Gerüchte. Etwa die, dass er der italienischen Wettmafia im Wege gestanden haben könnte.

Hinweise darauf lieferte der im Gefängnis einsitzende frühere Straßenräuber Renato Vallanzasca. Er erzählte, er sei von einem Mithäftling aufgefordert worden, beim Giro 1999 gegen einen Sieg Pantanis zu wetten. Pantani, Titelverteidiger des Vorjahres, führte damals souverän das Klassement an. Weil aber, so Vallanzascas These, illegale Wettanbieter befürchteten, im Falle eines Pantani-Siegs zu viel Geld an die Wetter auszahlen zu müssen, hätten sie dann dafür gesorgt, dass Pantani wegen einer positiven Dopingkontrolle aus dem Rennen genommen wurde. Das klingt abenteuerlich.

Haben illegale Wettanbieter Pantanis Karriere zerstört?

Fakt ist immerhin, dass „il pirata“ (Der Pirat) der einzige Profi war, bei dem Blutkontrollen während des Giro einen erhöhten Hämatokritwert ergaben. Profis jener Zeit hatten es gewöhnlich gut im Griff, den Wert rechtzeitig vor einer Kontrolle durch Flüssigkeitszufuhr unter die 50-Prozent-Schwelle zu bringen. Pantanis Ausschluss half jedenfalls den Wettanbietern.

Für ihn selbst war dieses Ereignis der Beginn eines sportlichen wie psychischen Abstiegs. Er fand seinen Tiefpunkt im – möglicherweise gewaltsam herbeigeführten – Tod. Eine Aufklärung der Todesumstände ist wichtig. Vielleicht lösen sie auch einige der Rätsel, die das Leben des Radstars betreffen.

Vincenzo Nibali hat trotz der Beschwichtigungen seines Sportlichen Leiters im Übrigen noch viel mit Pantani zu tun. Pantanis Mutter gab dem Astana-Aufgebot ein Gelbes Trikot aus den Hinterlassenschaften des „pirata“ mit zur Tour, und Nibali versprach, ihr ein neues gelbes Leibchen mitzubringen. Pantani ist noch immer das symbolische Herz des italienischen Radsports.

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