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Armstrong

© dpa

Radsport: Nur wer gut berichtet, wird erhört

Die Welt zerfällt in gut und böse. Jedenfalls für das Team Astana. Dies bezieht sich einmal nicht auf den Kampf um Biegen und Brechen, den sich Lance Armstrong und Alberto Contador liefern, sondern um die Astana-Perspektive auf die Medienwelt.

Die Welt zerfällt in gut und böse. Jedenfalls für das Team Astana. Dies bezieht sich einmal nicht auf den Kampf um Biegen und Brechen, den sich Lance Armstrong und Alberto Contador liefern, sondern um die Astana-Perspektive auf die Medienwelt. Mit der glaubt der gerade die Tour de France dominierende Rennstall umspringen zu können, wie ein Gutsherr mit seinen Landarbeitern.

Anzeichen dafür gab es schon vorher. Andreas Klöden ignoriert seit der Enttarnung seines einstigen Bosses Jan Ullrich als Kunde des Dopingarztes Fuentes die deutschen Medien, wann immer es ihm möglich ist. Er wandte sich selbst von einer Fernsehkollegin ab, als diese den verräterischen Mikrofonschutz mit Senderlogo entfernt hatte. Wer nachtragend ist, merkt sich Gesichter.

Kommunikationsprofi Lance Armstrong legte während der Italienrundfahrt im Mai einen Presseboykott ein. Er fühlte sich beleidigt, weil italienische Medien ihn als Strippenzieher des halbherzigen Fahrerstreiks in Mailand bezeichnet hatten.

Während der Tour de France ist Teamchef Johan Bruyneel nun König der Gekränkten. Der Belgier fühlt sich vom flämischen TV-Moderator Michel Wuyts angegriffen. Wuyts ist in Belgien ein Radsport-Idol. Immer, wenn ein Doper erwischt wird oder der Weltverband UCI sich mit dem Tour-Veranstalter ASO streitet, wird Wuyts an Mikrofon und Tastatur gerufen. Weil der gelernte Pädagoge auch kompetent über die diversen Dopingverdachtsmomente beim den von Bruyneel geleiteten Sportgruppen informiert, wirft Bruyneel ihm „Desinformation“ vor. Als Wuyts vor der Tour de France eine satirische Kolumne veröffentlicht hatte, rief Bruyneel zum Boykott auf. Allen TV-Kollegen des belgischen Kanals Sporza werden Interviews verweigert. Über Belgien hinaus wurde der Skandal bekannt, als Astana-Teamsprecher Philippe Maertens Lance Armstrong von einem Sporza-Mikrofon wegzerrte. „Das sind deine Landsleute“, rief Armstrong verblüfft aus, fügte sich aber der Teamorder. „Dieses Verhalten von Astana erschwert unsere Arbeit ungemein. Wir berichten viele Stunden von der Tour de France. Unsere Sendungen leben von Exklusivinformationen“, beklagt Reporter Maarten Van Gramberen.

Selbst in der Mixed Zone, in der die Sportler verpflichtet sind, den Medien Auskunft zu erteilen, kommt Sporza nur dann an die Profis heran, wenn ein anderer Sender die Fragen stellt. „Wir dürfen unsere Mikrofone hinhalten, aber selbst keine Fragen stellen. Das führt dann zu solch absurden Situationen, dass wir ein englisches Statement von unserem Landsmann Bruyneel in die Sendung einfügen müssen“, sagt van Gramberen.

Beim Tourveranstalter ASO hat sich Sporza noch nicht beschwert. Das ist erstaunlich. Schließlich zahlt der Sender viel Geld für das Recht auf eigene Berichterstattung von dem Event. Die ASO ist ihrerseits sowieso nicht zum Eingreifen gewillt. „Das geht uns nichts an. Sie würden sich doch auch nicht an die Fifa wenden, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht mit der Presse redet?“, entgegnet ASO-Sprecher Christophe Marchadier auf Nachfrage des Tagesspiegel. Diese Haltung passt zur neuen Informationspolitik im Verlagshaus Amaury. Der Armstrong-kritische ASO-Präsident Patrice Clerc wurde weggeschickt. Die Dopingberichterstattung im Sportblatt „L’Equipe“ nimmt seit der Installation eines neuen Ressortleiters merklich ab. Die neue Linie ist, um jeden Preis schlechte Schlagzeilen zu vermeiden. Das nennt man gewöhnlich Desinformation.

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