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Sport: Radsport: Umstieg zum Aufstieg

Mit seinen grauen Betonwänden wirkt das Velodrom innen kalt und ungastlich. Daran ändert auch das Kunstlicht nichts, unter dem in einem schmalen Kellerraum junge Radfahrer strampeln.

Mit seinen grauen Betonwänden wirkt das Velodrom innen kalt und ungastlich. Daran ändert auch das Kunstlicht nichts, unter dem in einem schmalen Kellerraum junge Radfahrer strampeln. "Wir sind in scharfem Training", sagt Uwe Freese etwas hektisch in seinem Trainerzimmer, das ebenfalls nur den Charme einer Besenkammer besitzt. Die heiße Musik nebenan soll wohl ein wenig von diesem Ambiente ablenken und die Motivation steigern. Schließlich müssen sich hier Sportler schinden, und zwar nicht zu knapp. Wer ins Scheinwerferlicht möchte, der darf wohl das Dunkel nicht scheuen. Auch Heiko Szonn gehört wieder zu denen, die auf der Rolle unter Tage trainieren. Sein braungebranntes Gesicht ist mittlerweile ein Relikt der Vergangenheit, denn der 24-Jährige hat sich kurz zuvor in Australien aus der Szene der Straßenfahrer wieder verabschiedet. "Sagen wir es doch mal so, er ist so richtig auf die Nase gefallen", sagt Uwe Freese, der Trainer, zum ersten Versuch seines Schützlings, auf dem Rad an das ganz große Geld zu kommen. Er hat es versucht, er ist gescheitert, und jetzt zahlt er den Preis dafür. Der Preis ist nicht allzu hoch. Szonn ist ja nicht aus der Szene ausgestiegen, er steigt nur wieder um. Während sein früherer Trainingspartner Robert Bartko als Doppel-Olympiasieger von Sydney nunmehr im Team Telekom für Jan Ulrich fahren darf, unternimmt der vor vier Jahren so ungeduldige Szonn als Bahnfahrer einen zweiten Versuch.

1996, nachdem bei Olympia in Atlanta die Plätze sechs (Einzel-Verfolgung) und neun (Mannschaft) herausgekommen waren, wollte er partout nicht auf den erfahrenen Freese hören, der gesagt hatte: "Dann klappt es eben in vier Jahren mit dem Olympiasieg, dann könnt ihr richtig gute Verträge unterschreiben." Szonn hatte aber nach einem zweiten Platz beim Bahn-Weltcup in Italien längst eine andere Entscheidung getroffen. Nicht ohne disharmonische Beiklänge allerdings. "Da hat es einige unschöne Dinge gegeben", meint Freese, "aber ich habe in der Zeit danach immer gewusst, was er macht." Über England (Linda McCartney-Team) und Schwerin (Greese-Team) war Szonn zuletzt zum italienischen Club Monte Grappa gewechselt. Den entscheidenden Durchbruch auf der Straße schaffte er aber nicht. Ein schwerer Sturz in Irland, nach dem sogar das Karriere-Ende zu befürchten war, warf ihn erst recht zurück. "Danach war kein lukrativer Straßenvertrag mehr zu bekommen", sagt Szonn etwas wehmütig.

Dennoch betrachtet er vor allem die Zeit in England nicht als verlorene Zeit. Mit seiner Frau Grace-Amely-Rose, einer Australierin, die sich ebenfalls dem Radsport verschrieben hat, lebt er zusammen mit der zweijährigen Tochter in Bexhill-on-Sea. "Das Konzept des McCartney-Teams, ohne Drogen und mit vegetarischer Kost den Sport zu betreiben, hat mir schon gefallen. Linda McCartney, die 1998 an Krebs gestorben ist, habe ich nicht mehr kennengelernt, aber Paul - als einen zugänglichen und lockeren Menschen", erzählt er. Den Kontakt möchte Szonn auch weiterhin pflegen. Nur sportlich hat er sich wieder neu orientiert. Sein Freund aus alten Tagen, der längst beim Team Telekom fahrende Andreas Klöden, hat ihn darin bestärkt. "Schau dir doch an, was Robert Bartko bei seinem Olympiasieg gefahren ist, mit welcher Zeit Jens Lehmann Weltmeister wurde", sagte Klöden, "diese Zeiten bis du doch schon vor vier Jahren gefahren."

Nun ja, nicht ganz. "In der 4000-m-Einzelverfolgung bin ich schon 4:20 Minuten gefahren. Robert Bartko fuhr in Sydney 4:18", sagt Szonn, und damit relativiert sich das Ganze. Dennoch möchte er beim SC Berlin mit Freese, der sich extra beim erfahrenen Guido Fulst dessen Zustimmung dafür sicherte, einen neuen Anlauf nehmen. Zwei Jahre soll das Bahn-Experiment zunächst laufen, das nur ein Ziel hat: die Rückkehr in die Weltspitze. Und dann? Dann: Tour de France fahren, einen Klassiker gewinnen und einen hoch dotierten Straßenvertrag in der Tasche haben - das sind die großen Ziele des Heiko Szonn. Er ist 24, er hat viel erlebt, er ist hingefallen und wieder aufgestanden, er kann es schaffen.

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