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Fußball - ein beeindruckend einfach Spiel. Doch das könnte sich ändern.

© imago/Westend61

Reformen für den Fußball: Ein Anstoß: Was sich im Fußball alles ändern könnte

Fußball ist von beeindruckender Einfachheit und auch deshalb so beliebt. Doch nun wollen die Hüter über alle Regeln eine Revolution des Sports. Wie sinnvoll sind die Ideen?

In Deutschland ist es eine der berühmtesten Floskeln, die es zum Thema Fußball gibt. Zugeschrieben wird sie dem ehemaligen Bundestrainer Sepp Herberger: „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Es ist ein Satz von beeindruckender Schlichtheit, und er gehört wohl gerade deshalb zum Sprachschatz der Deutschen. Er beschreibt das Elementare des Fußballspiels.

Doch daran rütteln nun die Regelhüter. Das International Football Association Board (Ifab) hat unter dem Titel „Fair Play!“ einen umfangreichen Katalog zu Regeländerungen im Fußball vorgelegt. Darunter ist auch der Vorschlag, ein Spiel nicht mehr in den klassischen 90 Minuten auszutragen. Sollte auch nur ein kleiner Teil der Vorschläge umgesetzt werden, bedeutete dies eine Revolution in einem Spiel, das sich in seiner Grundstruktur seit vielen Jahrzehnten bewährt hat.

Welche Änderungen sind im Gespräch?

Die Vorschläge des Ifab gliedern sich in drei Kategorien: Änderungen, die im Rahmen des bisherigen Regelwerks umgesetzt werden könnten; jene, die bereit für eine Testphase sind; und deutlich weitergehende Ideen, die vorerst nur als Diskussionsgrundlage dienen sollen. Letztere sind besonders kontrovers.

Der radikalste Vorschlag betrifft die Dauer eines Fußballspiels. Statt zweimal 45 Minuten bei fortlaufender Uhr soll es eine effektive Spielzeit von zweimal 30 Minuten geben. An der reinen Spielzeit würde sich nicht viel ändern, diese liegt im Schnitt bereits bei etwa einer Stunde. Mit der Änderung solle jedoch verhindert werden, dass sich die in Führung liegende Mannschaft durch Zeitspiel einen Vorteil verschafft. Als Variante könnte die Anwendung der effektiven Spielzeit auch nur für die letzten Minuten einer jeden Halbzeit gelten.

Weitere Anregungen betreffen das Thema Handspiel. Verhindert ein Spieler mit der Hand ein Gegentor, soll der Schiedsrichter auf Tor entscheiden dürfen. Erzielt ein Spieler einen Treffer absichtlich mit der Hand, soll er mit der Roten Karte bestraft werden.

Unabhängig von den Vorschlägen der Regelhüter hat Marco van Basten schon im Januar fundamentale Änderungen zur Diskussion gestellt. Der ehemalige niederländische Nationalspieler ist beim Weltverband Fifa für die technische Entwicklung zuständig und sinnierte über eine Veränderung des Elfmeterschießens. Statt aus elf Metern zu schießen, sollen die Spieler ähnlich dem Penalty beim Eishockey aus 25 Metern auf das Tor zulaufen und den Torwart mit mehreren Ballberührungen überwinden.

Außerdem stellte van Basten die Abschaffung des Abseits sowie die Einführung von Zeitstrafen zur Diskussion. Im Rahmen des Confed-Cups relativierte er diese Ideen bereits. „Das ist etwas für die Zukunft. Das ist im Moment kein Thema“, sagte er.

Wer entscheidet über Regeländerungen?

Die Hüter über alle Regeln des Fußballs sitzen nicht allein beim Weltverband Fifa, sondern im International Football Association Board (Ifab). Es ist ein achtköpfiges Gremium, das aus vier Fifa-Mitgliedern und aus je vier Vertretern der ersten Fußballverbände besteht: England, Schottland, Wales und Nordirland. Für eine Regeländerung ist eine Dreiviertelmehrheit im Ifab nötig. Das Gremium trifft sich nur einmal pro Jahr. Das Gremium braucht traditionell viel Zeit für Neuerungen.

Welche Neuerungen werden bereits getestet?

Mehrere Vorschläge befinden sich derzeit in der Testphase, dabei sticht vor allem ein neuer Modus beim Elfmeterschießen hervor. Statt jeweils abwechselnd, schießen beide Mannschaften im sogenannten „ABBA“-Modus, bekannt aus dem Tiebreak beim Tennis. Die Änderung der Reihenfolge soll verhindern, dass eine Mannschaft einen statistischen Vorteil hat.

Denn Analysen haben gezeigt, dass bisher in 60 Prozent der Fälle die Mannschaft gewinnt, die mit dem Elfmeterschießen beginnt. Ebenfalls in der Testphase befindet sich die vierte Einwechslung im Falle einer Verlängerung, die seit der Winterpause im DFB-Pokal möglich ist, und der Videobeweis.

Beim Confed-Cup kommt dieses technische Hilfsmittel bereits zum Einsatz. Am ersten Spieltag des Turniers wurden insgesamt fünf Szenen mit dem Videobeweis überprüft. Ob der Videobeweis auch bei der WM 2018 angewendet wird, entscheidet das Ifab kommendes Jahr.

Was bezweckt der Weltverband Fifa mit den Änderungen?

Unter dem ehemaligen Präsidenten Joseph Blatter galt die Maxime: Der Fußball ist so faszinierend, weil er so einfach ist. Der Videobeweis wurde als moderner Unfug verteufelt, der dem Fußball seinen Reiz nehme, weil es dann ja nichts mehr zu diskutieren gebe. Unter dem neuen Fifa-Chef Gianni Infantino hat sich der Blick auf den Fußball in Zürich radikal verändert. Auch den Videobeweis lobt der Schweizer beim Confed-Cup in den höchsten Tönen. „Das ist ein Meilenstein, die Zukunft des modernen Fußballs. Darauf haben die Fans so lange gewartet.“

Wobei Gianni Infantino all die Debatten über Regeländerungen auch sehr gelegen kommen. So rücken Wladimir Putins autoritäre Politik in Russland, die menschenunwürdige Situation der nordkoreanischen Stadion-Bauarbeiter sowie die Dauerkritik an der Fifa in den Hintergrund.

Was will die Bundesliga übernehmen?

Die Bundesliga setzt vor allem auf den Videobeweis. In der nächsten Saison werden alle Spiele zusätzlich von VideoSchiedsrichtern beobachtet, die in Köln sitzen. Dann können sich die Video-Schiedsrichter erstmals direkt bei strittigen Situationen einschalten. Sie dürfen dies aber nur in vier Situationen tun, und auch dann nur, wenn der Schiedsrichter auf dem Feld eine klare Fehlentscheidung getroffen hat. Erstens bei der Frage: Zählt das Tor oder nicht? Zweitens: War es im Strafraum ein Foul oder nicht? Drittens: War es eine Rote Karte? Und viertens: Hat der Schiedsrichter einen Spieler verwechselt?

Welche Reaktionen gibt es auf die vorgeschlagenen Regeländerungen?

Die meisten Spieler reagieren auf den beim Confed-Cup angewandten Videobeweis mit Unverständnis. Der kroatische Nationalspieler Luka Modric sagte, dass das nichts mehr mit Fußball zu tun habe. Viele Profis sehen das ähnlich. Es gibt aber auch Befürworter. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zum Beispiel. Er äußerte sich in der „Bild“-Zeitung dahingehend, dass eine Netto-Spielzeit von zwei mal 30 Minuten weniger Schauspielerei und Zeitschinderei nach sich ziehe. „Diese Fifa-Idee finde ich ausnahmsweise mal sehr gut“, sagte Matthäus.

Was waren die jüngsten Neuerungen?

Die grundlegenden Fußballregeln gelten seit mehr als 100 Jahren. Die letzte Regeländerung, die größeren Einfluss auf die Natur des Spiels genommen hat, war die Einführung der Rückpassregel 1992. Seitdem dürfen Torhüter den Pass eines Mitspielers nicht mehr mit der Hand aufnehmen, sofern ihm dieser mit dem Fuß, dem Bein oder per Einwurf zugespielt wird. Dass es heute Torhüter wie Manuel Neuer gibt, die fast ebenso sicher mit dem Ball umgehen können wie Feldspieler, hat vor allem mit dieser Maßnahme des Ifab zu tun.

Beim Confederations Cup kommt der Videobeweis zum Einsatz.
Beim Confederations Cup kommt der Videobeweis zum Einsatz.

© dpa

Die Änderungen der vergangenen Jahre sind ansonsten vor allem technischer Natur. Während die Uefa seit 2010 mit zwei zusätzlichen Torschiedsrichtern arbeitet, genehmigten die Regelhüter 2013 die Einführung der Torlinientechnik. Dabei wird mithilfe mehrerer Kameras überprüft, ob der Ball die Torlinie überschritten hat. Diese Technik wird seit 2013 bei allen großen Turnieren eingesetzt, seit 2015 auch in der Bundesliga.

Im vergangenen Jahr beschloss das Ifab dann noch eine Änderung, über deren Sinnhaftigkeit ein selten klarer Konsens besteht: Die Abschaffung der Dreifachbestrafung bei Fouls im Strafraum. Zuvor wurde ein Spieler stets vom Platz gestellt, wenn er im Strafraum eine klare Torchance verhinderte. Hinzu kam ein Strafstoß und eine Sperre gegen den Spieler. Seit 2016 wird der Foulende nur noch mit einer Gelben Karte bestraft, sofern das Foul an sich nicht schon rotwürdig war.

Welche Änderungen wären sinnvoll?

Der Fußball steht allgemein nicht für Innovation. Er ist eher konservativ, Neuerungen wurden und werden immer sehr kritisch beäugt. Die Argumentation der Gegner von Regeländerungen ist meist: Warum in ein funktionierendes Spiel eingreifen? Tatsächlich gibt es aber doch den einen oder anderen Vorschlag, der die Sportart voranbringen kann, auch wenn es sich hierbei eher um Kleinigkeiten handelt.

So wird das Fair Play von Fußballern vor allem in einer Hinsicht seit jeher mit Füßen getreten: Die Schiedsrichter sind die Empfänger für Frustrationen seitens der Spieler. Nun haben die Regelhüter vorgeschlagen, härter gegen die Respektlosigkeiten vorzugehen. Demnach könnte einer Mannschaft Tor- oder Punktabzug drohen, wenn ein Spieler sich dem Schiedsrichter gegenüber ungebührlich verhält.

Das Problem dürfte sein, dass eine Grenzlinie, was ungebührliches Verhalten ist und was nicht, nur schwer zu ziehen sein wird. Die Idee, die Schiedsrichter vor den verbalen Angriffen der Spieler zu schützen, ist gut. Löblich ist auch der Vorschlag, auf Tor zu entscheiden, wenn ein Spieler mit der Hand selbiges auf der Torlinie verhindert.

Derzeit gibt es daraufhin einen Strafstoß. Keine Ungerechtigkeit, sondern einfach nur nervig ist die Regel, dass ein Spieler bei einem Abstoß den Ball nicht im eigenen Strafraum annehmen darf. Warum und wieso das so ist, hat sich nie so recht erschlossen. Deswegen ist es gut, dass das Ifab dies nun abschaffen will.

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