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Die Frisur sitzt prima. Auf dem Eis wird es heute ernst für Jaromir Jagr. Foto: AFP

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Sport: Reif für die nächste Show

Jaromir Jagr ist mit 39 Jahren zurück in der NHL – und debütiert heute zum Saisonstart für Philadelphia

Berlin - In der Arena von Bratislava wurde gerade Eishockey-Weltmeisterschaft angeboten, Deutschland gegen Dänemark. Eine Trainingshalle weiter fand zeitgleich eine One-man-Show statt, die auch Zuschauer hatte. Der Dresscode des Kringel drehenden Mannes mit den schicken braunen Locken, war rustikal. Shorts, T-Shirt, Baseballmütze und Schlittschuhe. Es war ja Frühling in Bratislava. Ob Jaromir Jagr die Ein-Mann-Trainingseinheit physisch brauchte, war nicht ersichtlich. Aber aus Imagegründen gehört Show bei ihm dazu. Er versteht es wie kaum ein anderer Eishockeyprofi, sich selbst zu Markte zu tragen.

Im WM-Turnier im Mai diesen Jahres zeigte Jagr, was er kann. Die Gegner verzweifelten oft am brillanten Läufer und seiner Puckbehandlung. Am Ende schafften es die Tschechen auf Platz drei, Jagr wurde mit neun Punkten sechstbester Scorer des Turniers. Mittelmaß für ihn, eine traumhafte Quote für die meisten Eishockeyprofis. Und nicht vergessen: Der Mann wird im Februar 40 Jahre alt.

Aufhören will er noch nicht. Dabei sind seine Spuren schon jetzt riesengroß. Jagr hat alles gewonnen: Den Stanley-Cup in der National Hockey-League (NHL), Olympia, WM-Titel und so weiter. Jagr war stilbildend – trug das Haar vorne kurz, hinten lang: „Vokuhila“ heißt in Tschechien heute „Jagr“. Jagr ist heimatverbunden, in Prag lässt er unter seinem Namen eine große Sportsbar betreiben, dort gibt es einen Devotionalenshop – mit Artikeln des Mannes mit der Rückennummer 68, die er zur Erinnerung an den Prager Frühling trägt, in dem sein Großvater ums Leben kam.

Mehr Geld verdient als fast alle anderen im Eishockey hat Jagr. Nach drei gut bezahlten Jahren in der russischen Profiliga KHL bei Awangard Omsk, kehrt der Außenstürmer mit der Rückennummer 68 nun auf die große Bühne NHL zurück. 3,3 Millionen Dollar bekommt er für eine Saison bei den Philadelphia Flyers, beileibe kein Spitzengehalt in der NHL. Der deutsche Verteidiger Christian Ehrhoff bekommt in Buffalo drei Mal so viel.

Jaromir Jagr fürchtet nicht, dass er sich bei seinem Comeback lächerlich machen könnte. „Es gibt viele Leute, die sich fragen, ob ich noch auf dem Level spielen kann“, hat er gesagt. „Aber damit habe ich keine Probleme. Ich bin zwar 39 Jahre, aber ich kehre nicht in die NHL zurück, um mich selbst zu beeindrucken.“ Das Alter ist auch nicht das Ding in der NHL. Teemu Selänne (41), Martin Brodeur (39) oder Nicklas Lidström (41) spielen ja auch noch. Weil sie es können und weil die Nordamerikaner ihre Stars lieben und pflegen. Chris Chelios, der robuste US-Verteidiger, hat seine Karriere im vergangenen Jahr mit 48 beendet.

Zwei Tore hat Jagr für die Flyers beim 5:3-Testspielsieg gegen die New York Rangers geschossen. Ab heute kämpft er nach drei Jahren Abstinenz wieder um Punkte in der besten Eishockey-Liga der Welt. Zum Auftakt der NHL-Saison, die am Freitag und Samstag mit Spielen in Helsinki, Stockholm und Berlin fortgesetzt wird, treten die Flyers bei den Boston Bruins an.

Jaromir Jagr ist sicher nicht mehr so flink wie zu besten Zeiten. Auch braucht er mehr denn je Mitspieler, die seine defensiven Defizite kompensieren. Aber von der Technik her ist er brillant. Was der Mann an der Scheibe alles kann, war bei jenem Ein-Mann-Training in Bratislava zu beobachten. Jagr beendete die Einheit übrigens just in dem Moment, als das Spiel in der Halle nebenan vorbei war und stapfte dann durch die Zone, in der deutsche und dänische Spieler Interviews gaben. Jagr blieb stehen, schaute, wartete – vergebens. Kaum ein Reporter interessierte sich für ihn. Die ganz große Show ist Jaromir Jagr eben dann doch nicht mehr.

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