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Reister bezwingt Verdasco: Stich gratuliert als Erster

Julian Reister überrascht beim Turnier in Hamburg. Jetzt möchte er an bessere Zeiten anknüpfen.

Hamburg - Der Nebenplatz M1 am Hamburger Rothenbaum war am Dienstagnachmittag so dicht besetzt, wie schon lange nicht mehr. 2500 Zuschauer hatten sich auf die spartanischen, unbequemen Tribünen gezwängt, und etliche versuchten sogar noch, über die angrenzende Hecke einen Blick auf den Platz zu erhaschen. Denn es hatte sich schnell auf der Anlage herumgesprochen, dass sich hier, ein wenig abseits des eigentlichen Geschehens, eine kleine Sensation anbahnte. Julian Reister, den sie in Hamburg gut kennen, weil er aus dem unmittelbaren Umland aus Reinbek stammt, hatte den spanischen Weltranglisten-16. Fernando Verdasco kurz vor der Niederlage. Und da Reister derzeit nur auf Rang 483 geführt wird, schien es geradezu unglaublich, dass er durchhielt und Verdasco tatsächlich mit 6:2 und 6:3 in nur 66 Minuten bezwang.

„Das war der emotionalste Sieg meiner Karriere“, sagte Reister gerührt, nachdem er von den Zuschauern mit stehenden Ovationen gefeiert worden war. Turnierdirektor Michael Stich hatte sich an der Bande in den Pulk der Autogrammjäger gequetscht, denn er wollte unbedingt der Erste sein, der Reister gratuliert. Stich umarmte den 26-Jährigen herzlich, er wusste, welch langen Leidensweg er hinter sich hatte. Seit Reister vor einem Jahr ins Achtelfinale am Rothenbaum gestürmt war, damals noch als 92. der Weltrangliste, hat der Reinbeker kaum noch gespielt. Wegen einer chronischen Entzündung in der rechten Schulter musste er monatelang pausieren, aber dann kam im Aufbautraining im Februar der nächste Rückschlag: Reister riss sich die Plantarsehne in der Fußsohle und konnte sich neun Wochen lang nur mit Gehhilfen fortbewegen.

„Teilweise war ich am Boden zerstört“, erinnert sich Reister an die trübe Zeit, „ich wusste nie, in wie vielen Monaten ich wieder spielen kann. Das war eine Katastrophe für mich.“ Die Ungewissheit hatte lange an ihm genagt, seine Schulter ließ sich nicht operieren. Allein durch Schonung sollte sich Besserung einstellen, Aufschläge waren für ihn daher tabu. Doch der Geduldigste war Reister noch nie. Er versuchte, sich mit Golfspielen abzulenken, besuchte Freunde und holte alles nach, wofür die Zeit eines Vollzeitprofis normalerweise nicht ausreicht. Doch selbst das wurde ihm schnell langweilig. „Wenigstens habe ich es endlich geschafft, eine Wohnung in Hamburg zu finden“, freute sich Reister. Nur ein paar Minuten entfernt vom Rothenbaum ist er nun zu Hause.

„Ich bin erst seit fünf Wochen schmerzfrei“, sagte Reister, „allein, dass ich beim Turnier dabei sein kann, ist das Größte für mich.“ Stich hatte ihm nach der Absage des Franzosen Gael Monfils eine Wildcard geben können, und Reister bedankte sich mit dem Einzug ins Achtelfinale. „Ich weiß, Fernando hat wirklich schlecht gespielt, aber das ist mir egal“, sagte Reister, „ich bin einfach nur glücklich.“ So hatte er sich zuletzt bei den French Open vor zwei Jahren gefühlt. Damals spielte er sich bei seinem ersten Grand Slam durch die Qualifikation in die dritte Runde und musste sich erst dem Schweizer Roger Federer geschlagen geben. An diese Zeiten möchte Reister anknüpfen, gegen Jeremy Chardy bekommt er in Hamburg die nächste Chance. Petra Philippsen

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