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Relegation Cottbus - Nürnberg: 1. FC Nürnberg: Chance mit Handkuss

Der 1. FC Nürnberg startete chaotisch in die Zweite Liga – und kann in der Relegation gegen Energie Cottbus doch noch in die Bundesliga aufsteigen.

Javier Pinola stand im Nürnberger Stadion und sah sektselige Mainzer. Auf den Bildschirmen wurde der Aufstiegsjubel der Konkurrenz live gezeigt, während Pinolas 1.FC Nürnberg gerade Dritter der Zweiten Liga geworden war. Pinola lächelte, dann blickte er entschlossen weg vom Bildschirm. „Jetzt wollen wir das hier auch erleben“, sagte Pinola. Und zwar nach den Relegationsspielen gegen den FC Energie heute in Cottbus (18 Uhr, live in der ARD) und am Sonntag in Nürnberg.

Für Pinola geht es um mehr als den Aufstieg. Der kleine Argentinier liebt Nürnberg, er blieb, trotz viel besserer Angebote, auch nach dem Abstieg beim Club. Er sollte der Anführer einer runderneuerten Mannschaft sein, die sich als „ FC Bayern der Zweiten Liga“ sah, wie Präsident Michael A. Roth betonte. Doch der Topfavorit legte einen Saisonstart hin, der Pinola noch immer schmerzt. Die Spieler, die 2007 mit Nürnberg Pokalsieger wurden, verzweifelten an der Zweitklassigkeit, der Trainer wirkte hilflos in diesem Gefühls-Chaos – und musste schon nach zwei Spieltagen gehen. Thomas von Heesens Entlassung hinterließ eine rätselhafte Mannschaft, die nicht clever genug für die Erste Liga war. Und fremd blieb in der Zweiten.

Das Vertrauen des leidgeprüften Anhangs schien fast verspielt. „Platz drei war noch im Winter ein utopisches Ziel“, sagt Javier Pinola heute. Sein Trainer sieht es ähnlich. „Wir hätten damals die Relegation mit Handkuss genommen“, sagt Michael Oenning. Der vormalige Assistent von Heesens, zuvor nur einem Fachpublikum bekannt, übernahm eine völlig verunsicherte Mannschaft, die bis auf Rang 14 abrutschte. Präsident Roth verlor die Nerven und attackierte öffentlich die Sportliche Leitung – bis sich Präsidium und Aufsichtsrat im November nach einer Krisensitzung auf eine neue Linie einigten: weg vom kühnen Anspruchsdenken, hin zum Neuaufbau, Vertrauen in Oenning – so lautete die Vorgabe.

Manager Martin Bader darf sich heute gratulieren lassen zu einem Kurs, den er gegen Widerstände durchsetzte – mit Oenning, dessen ruhige, sachliche Führung den Profis das Vertrauen in ihre Fähigkeiten neu vermittelte. Bader hat einige Kritik aushalten müssen in fünf Jahren Nürnberg, in der tiefsten Krise aber zeigte sich, dass er das Fundament dieses traditionell von emotionalen Turbulenzen geschüttelten Vereins gefestigt hat. „Bader und Oenning hatten immer eine klare Linie, das hat unsere Entwicklung vorangetrieben“, sagt Kapitän Raphael Schäfer.

Zuletzt sah man einen überragenden Pinola, einen grandiosen Marek Mintal, einen souveränen Schäfer – und neben diesen älteren Pokalhelden eine junge, um drei U-19-Europameister verstärkte Mannschaft, die im letzten Saisondrittel sieben Punkte Rückstand auf Platz drei wettmachte. Kein Team hat so selten verloren wie Nürnberg, keines so wenige Gegentore zugelassen. „Jeder kennt seine Aufgaben, der Trainer hat eine Einheit geformt“, sagt Schäfer. „Wir fühlen uns wieder sicher auf dem Platz“, ergänzt Mintal.

Schäfer sieht den Club schon am Ziel: „Auch wenn wir nicht aufsteigen, haben wir eine entwicklungsfähige Mannschaft mit Perspektive aufgebaut.“ Oenning und Bader formulieren es fast genauso. Der Trainer spricht von „zwei Festspielen, die eine Belohnung für die Mannschaft sind.“ Und Pinola hofft, die durchwachsene Saison gegen Cottbus krönen zu können. „Die Hinrunde war nicht gut, die Rückrunde super“, sagt er, „wir haben viel gewonnen.“ Und jetzt, sagt Pinola, wollen sie richtige Sieger werden.

Hans Böller[Nürnberg]

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