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Sport: Renaissance der Rotation

Bayern gewinnt jetzt auch ohne das Stammpersonal

München - Für Andreas Görlitz kam der ehrfurchtsvolle Auftritt des Tabellenführers im Münchner Olympiastadion keineswegs überraschend. „So sollen sie hier ja auch auftreten. Es soll ja keiner herkommen und sich denken, sie könnten hier was mitnehmen“, sagte der Jungnationalspieler und klang, als zitiere er das elfte Gebot, das aus unerfindlichen Gründen keine Aufnahme ins Alte Testament fand: Du sollst die Bayern ehren.

Bezeichnend für den Münchner Auftritt beim überlegen erspielten 2:0 gegen Wolfsburg war, dass diese selbstbewusste Erkenntnis von einem Spieler aus der zweiten Reihe stammte. Nach mehr als einmonatiger Abwesenheit in der Anfangself verrichtete Görlitz gute Arbeit auf der rechten Seite – und ist somit Sinnbild einer Entwicklung, die vor Saisonbeginn unmöglich schien: die Renaissance der Rotation.

Eigentlich widerspricht die stetige Veränderung Magaths Maxime, doch seit dem ersten Spieltag wechselte er im Schnitt auf jeweils zwei Positionen, oft aus eigener Motivation und nicht, weil ihn das medizinische Bulletin dazu zwang. Da sich gegen Wolfsburg nun endlich eine Elf für weitere Aufgaben empfahl, könnte sich Magath schnell mit einem Luxusproblem konfrontiert sehen. „Eigentlich heißt es ja ‚Never change a winning team‘“, erinnerte Oliver Kahn und übersetzte, „eine Mannschaft, die erfolgreich spielt, muss man nicht unbedingt verändern.“ Das aber wird schwierig: Das 2:0 gelang ohne Michael Ballack, Zé Roberto, Sebastian Deisler und Mehmet Scholl, der erst 18 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde.

Zudem stimmte nicht bloß das Resultat: Eiskalt entherzte Owen Hargreaves das Spiel des Gegners, indem er Wolfsburgs argentinischem Artisten D’Alessandro den Spaß verdarb; flüssig und zielstrebig kombinierte das Mittelfeld. Wo zuletzt so häufig hartnäckiges Phlegma jede Kreativität aus den Aktionen des Rekordmeisters saugte, stand nun der unbedingte Wille, dieses „richtungsweisende Spiel“ (Görlitz) zu gewinnen, um der Konkurrenz nicht schon wieder „ewig hinterherkrabbeln zu müssen“ (Kahn). Der Frage, ob die ansprechende Leistung nun trotz oder erst infolge der Abwesenheit der prominenten Kreativkräfte gelang, wich Magath aus, indem er den Hauptanteil der veränderten Sturmformation zuschrieb. „Claudio Pizarro war heute das belebende Element, das uns in der Offensive weitergeholfen hat. Nur mit einem Roy Makaay ist unser Angriffsspiel zu leicht auszurechnen.“

Wer das Duo am Samstag in Mönchengladbach bedienen darf, ließ Magath offen. Bastian Schweinsteiger war neben Pizarro stärkster Münchner, eine Einsatzgarantie hat er deswegen nicht. Gleiches gilt für Andreas Görlitz, vor den Mechanismen der Rotation ist niemand sicher. Ein Trost bleibt ihm jedoch in jedem Fall, denn eines dürfte seiner Mannschaft vorerst sicher sein: Respekt der Konkurrenz.

Daniel Pontzen[München]

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