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Weiße Feste. Manuel Neuers Paraden in Dortmund waren ein Hingucker, seine Kommentare danach zum Hinhören. Foto: dpa

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Sport: Retter des Roulettes

Neuer ist Schalkes Bester und kritisiert leise Magath

Jürgen Klopp hatte seinen Arbeitsplatz definitiv zu früh verlassen. Als der Trainer von Borussia Dortmund vom Feld ging, war es zunächst erstaunlich ruhig in der Dortmunder Arena. Ein torloses Unentschieden gegen den Tabellenelften und Revierrivalen Schalke 04 verleitet die BVB-Fans nicht gerade zu Jubelstürmen. Aber das Revierderby war noch nicht zu Ende. Weil die Anhänger aus Gelsenkirchen ihre Plätze aus Sicherheitsgründen erst einmal nicht verlassen durften und die Dortmunder ihrem Erzfeind das Feld nicht kampflos überlassen wollten, entspann sich ein verbissenes Duell zwischen beiden Lagern. Beschimpfungen und Verwünschungen flogen hin und her. Auf den Videowänden wurden noch einmal die besten Chancen der Dortmunder eingespielt. Es waren wahrlich nicht wenige. Aber selbst das konnte den BVB-Anhang nicht versöhnen. Der Film wirkte wie ein Best-of-Video des Schalker Torhüters Manuel Neuer.

Neuer im Duell mit Mario Götze und gleich zwei Mal mit Jakub Blaszczykowski, Neuer gegen Mats Hummels und Sven Bender. Und vor allem Neuer gegen Robert Lewandowski. Wenn jemand nicht wüsste, was dieser Neuer eigentlich für ein Torhüter ist, dann müsste man ihm nur diese Szene aus der 78. Minute zeigen: Die Schalker verlieren in der Vorwärtsbewegung den Ball und werden mit einem langen Pass komplett bloßgestellt. Lewandowski läuft auf das Schalker Tor zu, Neuer stürmt ihm entgegen, und was er dann, weit vor seinem Strafraum, macht, hat mit kalkuliertem Risiko nichts mehr zu tun. „Das ist dann Instinkt“, sagt Neuer. Sich groß und breit machen, dem Stürmer entgegenspringen. „Ich habe versucht, angeschossen zu werden“, sagte der Nationaltorhüter. „Zum Glück ist es so gekommen.“ Der Ball prallte gegen seine Brust, es blieb beim 0:0.

Allein an Manuel Neuer lag es, dass es für den BVB auch im zweiten Heimspiel des Jahres wieder nur zu einem Unentschieden reichte. Dortmunds Trainer Klopp sagte nach dem Spiel, es habe seiner Mannschaft weder an Chancen gemangelt noch an Konsequenz gefehlt, „aber wenn der Gegner einen ordentlichen Keeper hat …“. Der Torhüter sei nun mal Teil der Mannschaft, entgegnete Felix Magath, weshalb das Unentschieden auch „nicht unverdient“ gewesen sei. Doch Schalkes Trainer vertrat damit eine Minderheitenmeinung. Selbst Neuer gab zu: „Wir haben es nicht verdient gehabt, einen Punkt hier mitzunehmen.“

In der Woche vor dem Derby hatte es wieder erbitterte Debatten um Magaths absolutistische Machtfülle auf Schalke gegeben. Da war es mehr als eine nette Pointe, dass Neuer es wagte, dem Alleinherrscher offen zu widersprechen. Der Torhüter, seit dem sechsten Lebensjahr im Verein, steht mit seiner Biografie für das alte Schalke, das Magath mit einer solchen Entschlossenheit bekämpft, dass ihm gerade erneut Verrat an der besonderen Identität des Klubs vorgeworfen wurde. Doch ausgerechnet der Ur-Schalker Neuer verschaffte der gepeinigten Fanseele mit dem 0:0 im Derby ein kleines Erfolgserlebnis und bewahrte seinen Trainer vor schlimmeren Turbulenzen.

Der Torhüter steht den Fans tendenziell näher als seinem Trainer, er kann ihre Sorgen besser verstehen als Magaths wirre Transferpolitik. Zumindest zwischen den Zeilen waren bei Neuer Zweifel herauszuhören, als er etwa das mangelnde Selbstbewusstsein und die Unsicherheit zu Beginn des Spiels beklagte. Der Subtext lautete: Wie sollen wir auch selbstbewusst und sicher sein, wenn die Mannschaft dauernd durcheinandergewürfelt wird? „Ich habe versucht, der Mannschaft Rückhalt zu geben“, sagte Neuer. Aber als Torhüter wisse man nie, was komme. Und er fügte noch hinzu: „Als Spieler auf Schalke weiß man auch nicht, was kommt.“

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