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Jede Bewegung sitzt. Rhythmische Sportgymnastik erfordert absolute Körperbeherrschung.

© AFP

Rhythmische Sportgymnastik: Zwischen Schulbank und Manege

Die deutschen Gymnastinnen feiern Erfolge, trotz der Doppelbelastung. Denn neben dem Sport haben die meisten auch noch die Schule zu bewältigen.

Berlin - In Sekundenschnelle werfen sie sich die Bänder zu, schlingen sie um ihre schlanken Körper in den glitzernden Kleidern, um sie kurz danach schon wieder hoch in die Luft zu schleudern. Und als wäre das nicht schon genug, vollführen die fünf Gymnastinnen des deutschen Nationalteams zeitgleich für den Durchschnittssportler halsbrecherisch aussehende Sprünge, Drehungen und Stände. Das Publikum in der Max-Schmeling-Halle jubelt. Jeder Wurf, jeder Fang und jede Bewegung sitzt. Man sieht es den jungen Frauen mit ihren makellos geschminkten Gesichtern nicht an, aber ihr Sport – Rhythmische Sportgymnastik – erfordert absolute Körperbeherrschung.

Und die ist auch nötig. Denn in den 90 Sekunden, die die Turnerinnen zu Instrumentalmusik vor der Jury auf der Matte tanzen, müssen sie das Maximum aus sich herausholen, was sie in puncto Gleichgewichtsgefühl, Beweglichkeit und Taktgefühl zu bieten haben. Auf die Mitturnerinnen muss Verlass sein.

In der Rhythmischen Sportgymnastik gibt es zwei Wettkampfmöglichkeiten: Entweder treten die Gymnastinnen allein mit nur einem Handgerät – Ball, Reifen, Seil, Kegel oder Band – vor die Richter, oder sie treten wie die deutsche Nationalmannschaft im Team zu fünft mit gemischten Geräten auf, so wie die deutsche Gymnastinnen-Nationalmannschaft am Wochenende beim letzten Turnier der Grand-Prix-Serie in der Schmeling-Halle.

Das Team um Kapitänin Camilla Pfeffer hat in diesem Jahr so viele Erfolge verbuchen können, wie es seit gut zehn Jahren kein nationales Team mehr geschafft hat. „Es ist der Wahnsinn, was wir erreicht haben“, sagt die 17-jährige Pfeffer. Bei der Weltmeisterschaft landeten die Turnerinnen einmal auf Platz acht und zweimal auf dem fünften Rang. Und bei der diesjährigen Europameisterschaft hatte es die Gruppe in drei Disziplinen auf den vierten Platz geschafft.

Der Grund für die neue Stärke sei aber nicht nur die harmonische Zusammensetzung, erklärt Cathrin Puhl, „wir haben auch ein super Trainerteam“. Teamchefin Jekaterina Kotelnikowa, Bundestrainerin Natalia Stsiapanawa und Ballettmeister Wladimir Komkow üben mit den zwischen 16 und 18 Jahren alten Schülerinnen Mira Bimperling, Regina Sergeewa, Cathrin Puhl, Sara Radmann und Camilla Pfeffer jede Bewegung haargenau ein.

Natürlich sei das „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, sagt Camilla Pfeffer. Doch die Gymnastinnen lieben ihren Sport, nach einigen freien Tagen vermissen sie ihn. Und so macht es ihnen nichts aus, fünf bis sechs Stunden am Tag auf der Matte im Bundesstützpunkt im baden-württembergischen Schmiden zu stehen. Und das an jedem Tag der Woche, außer Sonntag. Dann gibt es noch etwa zwei Extra-Einheiten, für die sogar Unterricht ausfällt.

Ein straffer Zeitplan, Schule muss aber trotzdem sein. „Man muss alle Aufgaben direkt machen, damit sich nichts ansammelt“, erzählt Camilla Pfeffer, die eine Klasse übersprungen und einen Notenschnitt von 2,0 hat. Der Zeitdruck wirke sich nur positiv auf die Hausaufgaben aus, sagt Camilla Pfeffer und lacht.

An diesem Wochenende hatten die fünf Gymnastinnen des deutschen Teams keinen Wettkampf. Dennoch waren sie in der Schmeling-Halle, wo sich die besten internationalen Turnerinnen im Einzel der Jury stellten. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin Jewgenia Kanajewa aus Russland war als Favoritin unter den 18 insgesamt Teilnehmerinnen gehandelt worden, und wie erwartet siegte sie in allen Wettbewerben. Dass die Deutschen überhaupt die Schulbank drücken müssen, unterscheidet sie von den Russinnen, den ewigen Favoritinnen in der Rhythmischen Sportgymnastik. „Russland ist riesig, dementsprechend gibt es auch viel mehr Talente, die dann auch richtig gefördert werden“, sagt Camilla Pfeffer. Die Russinnen seien einfach die Nummer eins im Einzelwettkampf. In der Gruppe jedoch sei alles möglich – und so wollen Pfeffer, Bimperling, Sergeewa, Pfuhl und Radmann in der ersten Qualifikationsrunde für die Olympischen Spiele 2012 in London unbedingt unter die ersten sechs kommen. Doch erst einmal freuen sich die Mädchen auf die Schulferien – freie Tage hatten sie seit der EM im April nicht mehr.

Anja Brandt

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