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Ausgehoben. Frank Stäbler besiegt im EM-Finale den Rumänen Georgian Carpen.

© dpa

Ringer Frank Stäbler: Teneriffa statt Titelkampf

Der derzeit beste deutsche Ringer schwänzt die nationalen Titelkämpfe und macht lieber Urlaub. Aus gutem Grund: Sein Fokus liegt auf Olympia.

An diesem Samstag wird Frank Stäbler in einer Stuttgarter Ballsporthalle sitzen, um sich ein Spiel der Volleyballerinnen des VC Stuttgart gegen den Köpenicker SC anzuschauen. Dabei bereiten sich die meisten griechisch-römischen Ringer gleichzeitig auf die deutschen Meisterschaften vor, die kommende Woche in Ehningen stattfinden. Doch wenn es auf der Matte losgeht, fliegt Frank Stäbler in Urlaub. Zehn Tage Teneriffa. Der derzeit beste Ringer schwänzt die Titelkämpfe aus gutem Grund. Sein Fokus liegt auf Olympia.

Bis vor ein paar Monaten wäre die deutschen Meisterschaft für den 22 Jahre alten Mechatroniker aus Musberg Pflichttermin gewesen. Heute ist Stäbler zu dem Gesicht des deutschen Ringersports aufgestiegen. In atemberaubenden Tempo. Als er am Montag aus Belgrad von der Europameisterschaft mit dem Titel in der Klasse bis 66 Kilogramm zurückkehrte, hatte der leidgeprüfte Deutsche Ringer- Bund das erste EM-Gold seit 18 Jahren gewonnen. Und der neue Vorzeigeathlet hatte seiner bei der WM im November errungenen Olympiaqualifikation einen drauf gesetzt. Stäbler ist bisher der einzige deutsche Ringer, der für Olympia qualifiziert ist. Jetzt reist er nicht mehr als Außenseiter, sondern als aussichtsreicher Medaillenkandidat nach London.

Das Video seines EM-Halbfinals gegen den Serben Aleksandar Maksimovic war bei Youtube längst ein Hit. Stäbler lag zurück, 5000 Serben feierten. Bis er fünf Sekunden vor dem Ende verwegen attackierte. Wie ein Eichhörnchen sprang er von oben auf den Gegner, der völlig überrascht verlor. Zur WM nach Istanbul fuhr er als Ersatzmann, nutzte mit ähnlich verwegenen Sprüngen seine Chance und erfüllte sich seinen Traum von Olympia.

Wie ernst Stäbler seine Olympiavorbereitung nimmt, zeigt die Schnupperreise mit seiner Freundin Anfang 2012. Er hatte von London als beeindruckender Stadt mit imposanten Olympiabauten gehört. „Ich wollte mir vorher einen Eindruck verschaffen und nicht staunen, wenn die Spiele los gehen“, sagt er.

So detailversessen er sich der englischen Hauptstadt näherte, so geht er auch ans Werk, wenn er Gewicht verlieren muss, um in seiner Klasse starten zu können. Für die EM waren es sieben Kilogramm, die runter mussten, was Stäbler ein striktes Hungerprogramm auferlegte, in dem bis zum Wiegen selbst Wasser verboten ist. „Er konnte gar nicht mehr sprechen“, erzählt sein Vater Andreas. „Seine Zunge klebte am Gaumen, weil er nichts trinken durfte.“ Für die Eltern Stäbler ist es jedes Mal aufs Neue eine Überwindung, ihren Sohn so zu sehen. Nach dem Wiegen startet das Wiederaufbauprogramm. Mit Fleischbrühe und Tafelspitz.

Bis zu seinem Olympiastart am 7. August wird Stäbler in seinem gewohnten Umfeld trainieren und seltener bei seinem neuen Bundesligaklub, dem ASV Nendingen. Mit vier Jahren fing er im Musberger Ringer-Kindergarten an, den sein Heimatverein vor 20 Jahren eingerichtet hatte. Zwei Jahrzehnte später schaffte der TSV mit einem besonderen Konzept den Bundesligaaufstieg. Man versuchte die Liga mit eigenem Nachwuchs zu halten, was zwei Jahre lang funktionierte. Jetzt nimmt der Klub den Zwangsabstieg in die Oberliga in Kauf, weil die Bundesliga finanziell nicht zu stemmen ist. Außerdem bezogen die Feierabendringer Niederlage um Niederlage. Nur eben Stäbler nicht. „Das tut allen weh, ist aber vernünftig“, sagt der neue Europameister. Vernünftig, meint er, ist es auch, jetzt auf die Meisterschaften zu verzichten und statt wieder zu hungern, lieber Maultaschen zu essen.

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