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Paralympics Turin 2006 - Rollstuhlfahrer beim Curling

© dpa

Rollstuhlcurling: Hunters wollen jagen

In Kanada ist Rollstuhlcurling ein Publikumsrenner. Mehrere tausend Zuschauer werden ihr Team bei den Spielen in Vancouver frenetisch unterstützen. Deutschlands Skip Jens Jäger freut sich auf die Atmosphäre und will die Favoriten ärgern.

So langsam steigt die Aufregung bei Jens Jäger. Der Gedanke an 6000 jubelnde Zuschauer treibt dem Skip, also dem Kapitän der deutschen Rollstuhlcurling-Mannschaft, wohlige Schauer über den Rücken. Die Qualifikation für die paralympischen Spiele in Vancouver war für Jäger und sein Team schon „überwältigend“, denn in Kanada sind Curling und das beinahe identische Rollstuhlcurling sehr populär.

Für die deutsche Mannschaft ist der Auftritt an der kanadischen Westküste ein ganz besonderer, denn es wird das erste Mal sein, dass eine deutsche Auswahl an den Paralympics teilnimmt. Dabei sein ist alles? Mitnichten. „Ich geh da nicht hin, nach dem Motto ich will nur dabei sein. Ich will schon etwas gewinnen“, sagt Jens Jäger und spricht dabei auch stellvertretend für sein Team. Sie nennen sich die Hunters und wollen in Vancouver möglichst die Favoriten jagen. Doch das wird nicht einfach. Rollstuhlcurling ist eine junge Sportart und erst seit den vergangenen Winterspielen in Turin eine paralympische Disziplin. Damals gewann Kanada, dessen Team wieder als Favorit gilt. Aber auch die Deutschen sollte man nicht unterschätzen, schließlich holten die Hunters bei der WM 2009 die Bronzemedaille und qualifizierten sich so für die Winterspiele in Vancouver. Deutschlands Chancen schätzt Jens Jäger durchaus gut ein: „Alles ist möglich, doch Kanada hat bessere Voraussetzungen. Die bekommen 1500 kanadische Dollar, während wir eher noch Geld bringen müssen.“ Aber die gute Vorbereitung hat gezeigt, dass Deutschland den Vergleich mit den anderen Nationen nicht scheuen braucht. Beim Vorbereitungsturnier im schottischen Perth musste man sich nur den Norwegern geschlagen geben.

Deutschland hofft auf eine Medaille

Jäger selbst kam durch einen Schnupperkurs in Schwenningen zum Rollstuhlcurling. Als Skip ist er für die Taktik verantwortlich und spielt auch den letzten, den manchmal alles entscheidenden Stein. Als wichtigster Spieler sieht er sich allerdings nicht: „Wir haben einen sehr guten Dialog im Team“, lobt Jäger seine Mitstreiter –wurden sie auch Behindertenmannschaft des Jahres 2009.

Die Hunters bestehen aus fünf Spielern. Wichtig hierbei ist, dass immer auch eine gegengeschlechtliche Person auf dem Spielfeld steht, daher sind mit Christiane Steger und Astrid Hoer auch zwei Frauen dabei. Marcus Sieger und Jens Gäbel komplettieren das Team. Gespielt wird vier gegen vier, eine Person dient hierbei als Ersatzmann beziehungsweise als Ersatzfrau. Dass Männer und Frauen in einem Team spielen, ist ein wesentlicher Unterschied zum Curling.

Ansonsten unterscheidet sich Rollstuhlcurling eigentlich nur marginal von der Variante für nichtbehinderte Sportler. Das Feld ist auch beim Rollstuhlcurling etwa 42 Meter lang und 4,3 Meter breit, der Stein ist der gleiche. Doch es gibt auch ein paar kleine Unterschiede zum „Fußgängercurling“. Beim Rollstuhlcurling wird nicht gewischt, diese Technik dient normalerweise zum Antauen der Eisoberfläche. Die Rollstuhlcurler können die Linie also nicht beeinflussen. Ein weiterer Unterschied besteht bei der Abgabe des Steines, die Spieler benutzen hierzu einen sogenannten Extender Scope, einen teleskopartigen Stiel, der es den Sportlern ermöglicht, aus dem Rollstuhl heraus den Stein auf den Weg in die Mitte zu bringen. Das House, also die Ringe auf dem Spielfeld, hat gerademal einen Radius von 1,83 Metern. Präzisionsarbeit ist angesagt, wenn es darum geht, dieses Spiel zu gewinnen. „Ganz so genau wie die Fußgänger können wir nicht spielen, aber zentimetergenau geht schon“, sagt Jens Jäger – und denkt dabei an die vielen Zuschauer, die ihm in Kanada zujubeln werden.

Heiko Möckl

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