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THW Kiel - Uwe Schwenker

© dpa

Rücktritt beim THW Kiel: Das Ende der Ära Uwe Schwenker

Nach den Manipulationsvorwürfen: Uwe Schwenker kommt der Entlassung zuvor und tritt als Geschäftsführer des THW Kiel zurück. Nach Informationen von Tagesspiegel.de soll THW-Kapitän Stefan Lövgren einspringen.

Einen sagenhaften Ausblick bietet der größte Saal des Hotels Maritim-Bellevue: Die wunderschöne Kieler Förde, die von Wäldern begrenzt wird, breitet sich unter dem Hotel aus, und doch fand Dr. Georg Wegner gestern Mittag keine Zeit für die Idylle mit Segelbooten. Der Notar, der 1992 das Modell der THW Kiel Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG erfand und seitdem als Gesellschafter des Handball-Rekordmeisters fungiert, hatte einen unangenehmen Auftrag zu erledigen: Er hatte den rund 40 Journalisten nicht weniger als das Ende der Ära Uwe Schwenker zu verkünden. „Es war kein Rausschmiss“, so leitete Wegner sein Statement ein, man habe den Vertrag mit dem THW-Geschäftsführer zum 30. Juni 2009 vielmehr einvernehmlich aufgelöst. Schwenker habe „für einen Neuanfang beim THW Kiel gesorgt“. Das Bemühen, nicht das Gesicht Schwenkers zu beschädigen, war spürbar. Später jedoch wurde deutlich, dass Schwenker nur einer Entlassung zuvorgekommen war. „Er hat schon leichten Druck gespürt“, berichtete Wegner.

Damit ist auch die zweite zentrale Figur, die seit 1993 für den atemberaubenden Aufstieg des Turnverein Hassee-Winterbek Kiel zu einer der besten Handballmannschaften der Welt verantwortlich war, Geschichte. Bereits im Juni 2008 war Trainer Noka Serdarusic, der gemeinsamen mit Schwenker elf Meisterschaften, fünf Pokalsieger und 2007 auch den Champions League-Triumph gefeiert hatte, beurlaubt worden. „Wir können Uwe nur noch einmal danken“, sagte Dieter Hein, der den THW Kiel Gesamtverein in der Bundesliga-GmbH als Gesellschafter vertritt. „Uwe steht für den großen Erfolg, den wir gehabt haben.“ Die Mannschaft und der Trainer Alfred Gislason, die in der Bundesliga noch unbesiegt sind, informierte THW-Gesellschafter Willi Holdorf.

Als Interimslösung fungiert Sabine Holdorf-Schust, die Ehefrau Holdorfs, fortan als THW-Geschäftsführerin, über die Nachfolge werde man sich in den nächsten Wochen Gedanken machen. Nach Informationen von Tagesspiegel.de verhandeln die Gesellschafter bereits mit THW-Kapitän Stefan Lövgren. Der 38-Jährige Schwede, der im Sommer seine Karriere beendet und eigentlich in seine Heimat zurückkehren wollte, soll zumindest in einer Übergangslösung als Sportmanager fungieren. „Wir haben mit ihm schon gesprochen“, berichtet ein Gesellschafter.

Doch das einstige Erfolgsduo Schwenker/Serdarusic steht eben auch für den vielleicht dunkelsten Fleck in der Vereinsgeschichte: Die möglichen Schiedsrichterbestechungen, die den Champions League-Sieg 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt ermöglicht haben sollen. Mindestens zehn Spiele soll der THW in der Champions League verschoben haben, das jedenfalls soll Serdarusic Mitte Februar gegenüber drei Vertretern der Rhein Neckar-Löwen berichtet haben, die daraufhin dem Trainer den Vertrag wieder kündigten. Nach Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft Kiel lägen dafür indes weiterhin „keine belastbaren Beweise vor“, darauf bestand Wegner gestern. Sondern lediglich Indizien. Das zuvor makellose Image des THW Kiel hat dessen ungeachtet schwer gelitten. „Natürlich hat der THW einen Schaden erlitten, der nur zum Teil wieder herstellbar ist“, weiß Wegner, der seit Beginn der 1950er Jahre THW-Mitglied ist und als Spieler mit THW-Heros Hein Dahlinger zweimal Deutscher Meister wurde.

Schwenker musste laut Wegners Darstellung aus anderen Gründen abtreten: Weil er obskure Vorgänge in der THW-Buchhaltung, die freilich mit den Manipulationsvorwürfen zusammenhängen, nicht aufklären wollte. Dazu hatten ihn der achtköpfige Beirat, in dem sich die wichtigsten Kommanditisten und Sponsoren versammeln, und auch das fünfköpfige Gesellschaftergremium nachdrücklich aufgefordert. „Er war bereit, Hinweise zu geben, aber erst nach den Ermittlungen“, berichtete Wegner von den langen Verhandlungen der letzten Tage. Das sei aus strafrechtlicher Sicht zwar nachvollziehbar. Aber aus arbeitsrechtlicher Sicht könne, so Wegner, „diese Haltung nicht akzeptiert werden“. Die Sponsoren des THW sollen starken Druck ausgeübt haben, um die kritische Lage zu entspannen. „Wir begrüßen die aktuelle Entwicklung sehr“, sagte Ulrich Rüther, der Vorstandsvorsitzende der Provinzial-Versicherung, die seit 1978 als Hauptsponsor beim THW engagiert ist. Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung seien nun mal ein „unhaltbarer Zustand“.

Der größte Druck ist durch Schwenkers Abgang zwar nun gewichen, das Menetekel der Schiedsrichterbestechung schwebt freilich weiterhin über dem Klub. Unklar ist weiterhin, ob die Europäische Handball-Föderation (EHF), welche die Champions League veranstaltet, Sanktionen ausspricht für den Fall, dass sich die Bestechungsvorwürfe erhärten. Seinem Kenntnisstand nach enthielten die EHF-Bestimmungen hierzu keinen Strafenkatalog, erklärte hierzu Wegner. Der THW Kiel und die Sportart Handball, die seit über fünf Wochen von Skandalen erschüttert wird, werden aber wahrscheinlich Jahre brauchen, sich von dieser Krise und dem Glaubwürdigkeitsverlust zu erholen. Das Image des Handballs als anständiger, harter und ehrlicher Sport hat schwer gelitten.

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