zum Hauptinhalt
Roberto Mancini ist der jüngste Star-Einkauf. Italiens Europameistercoach ist jetzt Trainer der saudischen Fußball-Nationalmannschaft.

© Reuters/Handout

Saudi-Arabien und der Fußball: Ein Ende der Mega-Transfers ist nicht in Sicht

Die Saudis geben wohl kalkuliert Milliarden von Euro für große Fußballstars aus. Dahinter steckt eine klare Strategie, die nicht nur nach außen, sondern auch auf die eigene Bevölkerung zielt.

Roberto Mancini ist der neueste prominente Neuzugang für den saudischen Fußball. Der 58-jährige Coach, der Italien zur Europameisterschaft führte, unterschrieb jetzt einen Vertrag als Nationaltrainer Saudi-Arabiens. In seiner neuen Heimat trifft Mancini auf viele Bekannte aus dem europäischen Spitzenfußball: Saudische Klubs haben in diesem Sommer mehr als ein Dutzend Top-Spieler aus Europa für eine halbe Milliarde Euro gekauft. Das dürfte erst der Anfang sein. Der staatliche Investitionsfonds PIF mit seinem Vermögen von 600 Milliarden Euro hat vier saudische Fußballklubs übernommen, um sie mit Geld für weitere Spielerkäufe auszustatten.

An der Spitze des PIF steht der 37-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman, und der ermuntert die saudischen Klubs, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Bayern-Trainer Thomas Tuchel spricht von einem „Goldrausch“, die Nachrichtenagentur Reuters von einem „Exodus“ europäischer Stars.

Den Anfang machte Weltstar Cristiano Ronaldo, der im Winter von Manchester United zum Klub Al-Nassr wechselte, wo er laut Medienberichten eine Million Euro pro Woche verdient. Dann folgten Spitzenspieler wie Karim Benzema von Real Madrid, der jetzt bei Al-Ittihad spielt, Sadio Mane von Bayern München, der Ronaldos Klub Al-Nassr verstärkt, und zuletzt Neymar von Paris Saint-Germain, der bei Al-Hilal laut Medienberichten rund 100 Millionen Dollar im Jahr erhält. Al-Ittihad, Al-Nassr, Al-Hilal und der Klub Al-Ahli kamen im Juni unter den Schirm des PIF.

Außereuropäische Ligen, etwa in den USA oder in China, hatten schon in der Vergangenheit internationale Spitzenfußballer eingekauft, um sich einen Namen zu machen. Die saudische Initiative hat eine andere Dimension, weil sie wesentlich höhere Summen einsetzt und zu einer politischen Umgestaltung des ganzen Landes gehört.

Mohammed bin Salman will den Öl-Staat Saudi-Arabien in ein High-Tech-Land, internationales Finanzzentrum und Touristenmagneten verwandeln. Die Fußball-Liga Saudi Pro League und große Sportereignisse wie Golfturniere, Formel-Eins-Rennen oder Boxkämpfe sollen dabei helfen und das Image des Kronprinzen aufpolieren.

Siebzig Prozent der saudischen Bürger sind jünger als 35 Jahre

MBS, wie der Thronfolger genannt wird, war laut UN-Ermittlungen für den Mord an dem Regimekritiker Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich und ließ nach Zählung von Menschenrechtlern allein im vergangenen Jahr fast 150 Menschen hinrichten. Kritiker sprechen deshalb von „Sportswashing“: Das Engagement im Sport solle von Menschenrechtsverletzungen ablenken. Schon vor zwei Jahren legten sich die Saudis den englischen Spitzenklub Newcastle United für 300 Millionen Euro zu.

„Sportswashing“ ist nicht der einzige Grund für die teuren Einkäufe. MBS „will auch die Bedürfnisse der jungen Bevölkerung in Saudi-Arabien nach Freizeitaktivitäten erfüllen“, sagt Kristof Kleemann, der als Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung im Libanon den Nahen Osten beobachtet. Siebzig Prozent der saudischen Bürger seien jünger als 35 Jahre, sagte Kleemann dieser Zeitung. „Mohammed bin Salman braucht die junge Bevölkerungsgruppe für die Akzeptanz seiner Reformagenda.“

Rechnen könnte sich die Einkaufstour mittelfristig auch. „Wenn es gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit der saudischen Profiliga zu steigern und eine größere weltweite Fangemeinde anzuziehen, könnten langfristig auch positive Wirtschaftseffekte erzielt werden“, sagt Nahost-Experte Kleemann.

Geld für weitere Neuzugänge ist da. Dank der gestiegenen Energiepreise wegen des Ukraine-Krieges nahm der staatliche saudische Ölkonzern Aramco im vergangenen Jahr die Rekordsumme von 161 Milliarden Dollar ein. „Damit konnte die saudische Regierung Geld in den PIF pumpen, das sie für ihre strategischen Investitionen im Sport und anderswo verwendet“, sagt Kleemann: „Ein Ende der Mega-Transfers ist erstmal nicht abzusehen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false