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Sport: Schach dem Präsidenten

Im Weltverband kämpft eine Opposition gegen den autoritären Chef Iljumschinow – die Spaltung droht

Berlin - Über Kirsan Iljumschinow gibt es ungefähr so viele Ansichten wie Felder auf einem Schachbrett. Für die einen ist der Präsident des Weltschachbundes Fide korrupt und zerstört die Traditionen eines noblen Spiels. Andere verehren ihn, weil er in seiner elfjährigen Amtszeit die Fide vor der Pleite bewahrt und Millionen Dollar aus der eigenen Tasche in das Schach gesteckt hat, auch wenn niemand genau weiß, welche Art von Geschäften dieses Geld erwirtschaftet haben.

Iljumschinow gilt als einer der reichsten Männer Russlands und herrscht zugleich über eine der ärmsten Regionen des Landes. Der 44-Jährige ist Präsident der autonomen russischen Republik Kalmückien. Oppositionelle pflegt er dort gewöhnlich zu unterdrücken, in der Fide ist ihm das diesmal nicht gelungen. Am Freitag wird im Rahmen der Schacholympiade in Turin das neue Fide-Präsidium gewählt, und erstmals gibt es für Iljumschinow einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten: Der Niederländer Bessel Kok, ein 64 Jahre alter Telekommunikationsmanager, will die Fide transparenter machen.

Glaubt man jedoch Iljumschinow, hat Kok bereits verloren. Als der vor Monaten seine „Right-Move“-Kampagne startete und damit begann, die ihn unterstützenden Länder im Internet zu veröffentlichen, tat es ihm Iljumschinow gleich. Auf Koks Liste stehen nun 41 Länder, auf Iljumschinows 85. Kok bezweifelt die Zahlen seines Kontrahenten. Einige Delegierte hätten ihm ihre Unterstützung zugesagt, wollten aber nicht veröffentlicht werden. „Es wird sehr eng“, sagt Kok. „Die Chancen stehen bei 50 Prozent.“

Einen knappen Ausgang erwartet auch Horst Metzing. Zwar handelt es sich um geheime Wahlen, dennoch macht der Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes keinen Hehl aus seiner Präferenz. „Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass es eine bessere Fide geben muss“, sagt Metzing. Er spielt damit auf willkürliche Entscheidungen Iljumschinows an. Etwa jene, den über Jahrzehnte gewachsenen WM-Zyklus mit längeren Zweikämpfen durch einen schnellen K.o.-Modus zu ersetzen, der Zufällen viel größeren Raum gibt. Eigenmächtig verkürzte Iljumschinow auch die Bedenkzeit bei allen Fide-Turnieren drastisch – dadurch sank die Qualität in Großmeisterpartien. Außerdem hatte der Präsident wiederholt Wettkämpfe angekündigt, die nie zustande kamen. Auch seine Nähe zu dubiosen Politikern und Staatsmännern steht von jeher in der Kritik. So bezeichnete Iljumschinow den früheren irakischen Diktator Saddam Hussein als seinen Freund und wollte 1996 sogar die Weltmeisterschaft unter dessen Schirmherrschaft in Bagdad austragen lassen.

Fast alle westeuropäischen Staaten, ebenso die USA, Australien und Südafrika, haben deshalb Kok ihre Unterstützung zugesagt. Den Ausschlag geben wird aber wohl die Vielzahl kleiner Staaten wie Belize oder die Seychellen, die zwar nur ein paar Schachspieler, aber das gleiche Stimmrecht haben wie etwa Russland mit Hunderttausenden organisierter Spieler. Am Ende könnte es entscheidend sein, dass „Kok nicht bereit ist, Stimmen zu kaufen“, wie Metzing sagt.

Ganz sicher scheint sich Iljumschinow dennoch nicht zu sein, sonst hätte er Kok kaum über einen Vertrauten das Präsidentenamt angeboten – unter der Voraussetzung, dass er selbst im Präsidium bleiben dürfe. Kok lehnte ab. Laut Metzing wären selbst bei einem Sieg Iljumschinows die Aussichten auf Veränderung größer als zuvor. „Vielleicht erkennt er dann erstmals, dass es eine Opposition gibt.“ Falls nicht, droht der Fide die Spaltung.

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