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Sport: Schalker Einheit

Die Profis machen Trainer Slomka lächerlich, der Vorstand sieht es als Demonstration des Teamgeists

Gustavo Varela könnte vor dem Spiel in Mönchengladbach einen Entschluss gefasst haben: Wenn ich ein Tor schieße, renne ich ganz schnell zu unserem Torwart Frank Rost auf der Ersatzbank und feiere ganz doll mit ihm. Und unseren Trainer lass’ ich dabei links liegen. So zumindest sah es aus, als der Schalker Mittelfeldspieler im Borussia-Park nach einer halben Stunde den 2:0-Sieg der Gelsenkirchener perfekt gemacht hatte und anschließend quer über den Platz stürmte, um Frank Rost, dem Stammkeeper a. D., an der Seitenauslinie in die Arme zu springen. Und weil alle seine Kollegen mit ihm mitstürmten und keiner daran dachte, auch Chefcoach und Rost-Degradierer Mirko Slomka einzubeziehen, wirkte das Ganze wie eine konzertierte Spieleraktion, die den Trainer bloßstellen sollte.

Als Andreas Müller eine Viertelstunde später beim Halbzeitinterview im Fernsehen mit dieser Interpretation konfrontiert wurde, reagierte der Schalker Manager noch ausgesprochen gefasst und sagte: „Unsere Mannschaft hat sich in dieser Situation als Einheit gezeigt.“ Keine Frage. Weil die Jubelarie aber so schön außergewöhnlich war, kam das Thema bei der Pressekonferenz nach dem Spiel noch einmal zur Sprache: Alle für Rost – und alle gegen Slomka? Nun verlor der Manager die Contenance, stürmte wutentbrannt aus dem Raum und ward nicht mehr gesehen.

Josef Schnusenberg, der nach Müllers Abmarsch in Gladbach plötzlich zum Gesprächspartner Nummer eins aufstieg, zeigte gestern Verständnis für Müllers Reaktion am Vorabend. „Man kann in alles etwas hineininterpretieren“, sagte Schalkes Finanzchef, der die Feierlichkeiten zum 2:0 nicht als Affront der Mannschaft gegen den als führungsschwach geltenden Slomka verstanden wissen will. „In meinen Augen war das keine symbolische Aktion“, sagt Schnusenberg und behauptet: „Wenn ich statt Rost dort gestanden hätte, wäre Varela eben mir um den Hals gefallen.“

Purer Zufall also das Ganze – Mirko Slomka hätte sich einfach neben Rost auf die Ersatzbank setzen sollen. Schnusenberg bewertet die Angelegenheit „positiv. Für mich zeigt das, dass die Mannschaft so gefestigt ist, dass sie bei Torerfolgen auch die Ersatzspieler miteinbezieht.“ Damit schloss er sich der offiziellen Sichtweise von Manager Müller an und segnete bei der Gelegenheit auch gleich den weiterhin bestehenden Medienboykott der Gelsenkirchener Profis ab. „Das muss man auch verstehen“, sagte er. „Sie bekommen pausenlos auf die Fresse, und selbst wenn sie jubeln, jubeln sie noch verkehrt.“

Konfrontiert mit dem Gedanken, er werde von seinen Spielern möglicherweise gemobbt, zeigte sich auch Mirko Slomka überrascht – oder als guter Schauspieler. Der 39 Jahre alte Chefcoach, bei dem sich Spielmacher Lincoln am Montag für zehn Tage zur Reha-Behandlung in die brasilianische Heimat verabschiedet hat, hat sich jedenfalls „über die Geste, die Gustavo Varela und die anderen geleistet haben, sehr gefreut. Ich kann der Mannschaft nur dazu gratulieren, dass sie die Dinge, die auf uns einprasseln, so beiseiteschieben kann.“ Auch wenn es manchmal so aussieht, als würden nicht die Dinge, sondern der Trainer beiseitegeschoben.

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