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Das war diesmal nicht. Zverev bei seinem Halbfinalaus in London.

© Adam Davy/PA Wire/dpa

Alexander Zverev: Scheitern als Chance

Es ist durchaus möglich, dass Alexander Zverev in ein paar Jahre der beste Tennisspieler der Welt ist. Doch dafür muss der Hamburger zulegen, wie die ATP Finals wieder gezeigt haben. Ein Kommentar.

Berlin im November 2022. Der äußere Videoscreen an der Arena am Ostbahnhof kündigt ein besonderes Event an: „Die ATP World Tour Finals vom 13. bis 20. November mit dem Weltranglistenersten Alexander Zverev. Jetzt Tickets sichern.“ Zugegeben, die Vorstellung klingt ein wenig ambitioniert. Andererseits ist es sehr wohl denkbar, dass Alexander Zverev in fünf Jahren zum besten Tennisspieler der Welt aufgestiegen ist. Und dass dann auch die Deutschen wieder mehr Lust auf Tennis haben, so wie das zwischen 1990 und 1999 völlig selbstverständlich war, als das Saisonfinale der besten acht Profis hierzulande stattfand. Die Erfolge von Boris Becker und Michael Stich haben das seinerzeit möglich gemacht.

Dabei ist Alexander Zverev fast zu wünschen, dass er von der typisch teutonischen Heldenverehrung verschont bleibt, wie sie eben Becker erlebt hat. Die Chancen darauf stehen ganz gut, weil der heute 20-Jährige ein anderer Typ ist, anders Tennis spielt und in seinen ersten Jahren auf der Profitour auch nicht immer nur glückliche Entscheidungen getroffen hat. Die deutschen Sportfans sind deswegen etwas skeptisch, aber aus reiner Kenntnisnahme seiner Leistungen kann schnell echte Begeisterung werden.
Dazu muss Zverev aber noch ein bisschen zulegen. Neben dem Platz und in seinem Spiel. Im Match um den Halbfinaleinzug am Donnerstag gegen den US-Amerikaner Jack Sock bei den ATP-Finals in London hat der Deutsche einmal mehr Lehrgeld bezahlt. Es war ein Spiel, das er nicht hätte verlieren müssen. Doch Zverev machte aus seinem augenscheinlich größeren Potenzial zu wenig. In diesem Jahr hat Zverev häufiger derartige Erfahrungen gemacht. Bei den Grand-Slam-Turnieren zum Beispiel, wo er zuletzt bei den US Open durch die Favoritenrolle wie gelähmt wirkte.

Auch gegen Sock wurde ein Sieg von ihm erwartet, wahrscheinlich hatte auch Zverev diesen Anspruch. Doch es sind solche Spiele, die noch einmal deutlich machen, dass der Deutsche erst am Anfang einer großen Karriere steht. Dass er lernen muss, mit Druck umzugehen und Rückschläge als Ansporn begreift. Geduld ist gefragt – bei ihm und den deutschen Sportfans. Dann kann es vielleicht wirklich irgendwann klappen mit der Nummer eins und einem großen Tennishighlight im November 2022 in Berlin oder anderswo in Deutschland.

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