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Sport: Schilys Schmäh

Wie der Sportminister die Deutschen zur WM-Freundlichkeit 2006 motiviert

Berlin - Unser Land soll netter werden. Spätestens zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, wenn Millionen Menschen – zu Hause vor dem Fernseher oder in den zwölf WM-Stadien – Deutschland etwas genauer betrachten werden. Wie genau das funktionieren soll, darüber denkt das Organisationskomitee (OK) schon lange nach. Unter dem Vorsitz des OK-Beraters Fedor Radmann soll es in den kommenden beiden Jahren eine groß angelegte Freundlichkeitsoffensive geben. Fremdenverkehr soll mit Hilfe von zahllosen mehrsprachigen Hostessen und lächelnden Freiwilligen zum Freundeverkehr werden. Jetzt geht auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) der Frage nach, wie die Gäste, Mannschaften und Journalisten aus aller Welt 2006 ein „offenes, lebendiges und gastfreundliches“ Deutschland erleben können.

Auf einem Kongress des Bundesverbandes für Tourismuswirtschaft am Dienstag in Berlin sagte Schily: „Wir dürfen unser Land nicht wie Oberjammergau betrachten.“ Die Deutschen müssten ein ganz neues Naturell entwickeln. Der Sport- und Innenminister wünschte sich „ein wienerisches, südländisches Element“ von seinen Landsleuten. „Man kann auch mal zwei Zentimeter über dem Boden schweben.“ Dies gelte für alle – vom Taxifahrer bis zum Polizeibeamten. Und natürlich besonders für die Hotelangestellten und das Gaststättenpersonal. Die Reisefachleute, die Schily im schon 2004 nicht unbedingt unfreundlichen Hotel Adlon lauschten, hörten da offenbar auch Kritik an ihrer Branche heraus. Erst, als Schily die drei Milliarden Euro Umsatzplus erwähnte, die die Tourismusbranche 2006 – glaubt man einer Studie der Bochumer Ruhruniversität – machen wird, gab es Applaus: „Einige von Ihnen werden reich werden“, sagte der Innenminister.

Besonderen Wert legt Otto Schily auch auf die Gestaltung der Bahnhöfe. Niemand dürfe den Eindruck gewinnen, er sei „in einer Hinterhofsituation“ angekommen. Zu den Freundlichkeits-Überlegungen des OK gehört auch die Einrichtung eines zentralen Callcenters, deren Mitarbeiter unter der Nummer 2006 alle Informationen in allen wichtigen Sprachen und rund um die Uhr beantworten könnten. In Zusammenarbeit mit der Telekom soll zudem ein Verkehrsleitsystem installiert werden, dass die Fußballfans ohne Umwege per Mobiltelefon in die richtige Stadt bringt. Heißt diese Stadt Kaiserslautern, kommt man allerdings nur bis zu einem Parkplatz vor der Stadt: Kaiserslautern soll während des Turniers, so Fedor Radmann, vollkommen autofrei werden. Von alten Regeln soll sich Deutschland auf Wunsch der Organisatoren verabschieden. Schily forderte schon mal, das Nachtflugverbot für Dauer der WM 2006 „flexibel zu handhaben“.

Eine Frage ist noch offen: Wer soll den Deutschen das „wienerische Element“ beibringen, das Schily sich wünscht? Für den Schmäh bei der Eröffnungsfeier in Berlin hat das OK schon einmal einen Österreicher engagiert: den Künstler André Heller, der sich – getreu dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ – das aufwändige Kulturprogramm zur WM ausdenkt. „Time to make friends“ heißt der Slogan auf Englisch. Aber was heißt: Küss’ die Hand?

Esther Kogelboom

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