zum Hauptinhalt

Sport: Schock für Beckenbauer

Vor der WM stehen Bundesliga- und Nationalspieler unter Verdacht

Berlin - Die WM-Organisatoren hatten sich das anders vorgestellt. Am gestrigen Mittwoch wollten sie nur über Erfreuliches reden: Das fertige Verkehrskonzept für die WM und den abendlichen Gipfel mit Kanzlerin Merkel, Bundestrainer Klinsmann und WM-Organisationschef Beckenbauer. Doch dann musste Beckenbauer wieder ganz andere Dinge kommentieren. Ungläubig reagierte er auf die angebliche Verwicklung eines deutschen Nationalspielers in den Fußball-Wettskandal, die das ARD-Magazin „Plusminus“ am Vorabend gemeldet hatte, ohne Namen zu nennen. „Also, ich kann es mir nicht vorstellen“, sagte Beckenbauer in Berlin. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt wirke eine solche Diskussion „zerstörend“. „Es wird natürlich um die Welt gehen“, sagte Beckenbauer. Gleichzeitig stellte er fest: „Ein deutscher Nationalspieler müsste eigentlich genug Geld verdienen, um auf solche Wettabenteuer zu verzichten.“

Nach „Insider-Informationen“ des ARD-Magazins „Plusminus“ soll ein deutscher Nationalspieler „mit der so genannten Wettmafia zusammenarbeiten“. Mehrere Bundesligaspieler sollen in den Skandal verstrickt sein. Die Staatsanwaltschaft München I wertet nun die Informationen aus. „Das kann ein paar Tage dauern, dann werden wir entscheiden, ob wir ein Ermittlungsverfahren eröffnen“, sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler dem Tagesspiegel. Einen Rückschluss darauf, dass der von „Plusminus“ erwähnte Nationalspieler aus München komme, gebe die Zuständigkeit seiner Behörde nicht. „Wir befassen uns mit der Angelegenheit, weil sich die Journalisten von der ARD mit ihren Informationen an uns gewendet haben“, sagte Winkler. Gestern nahm auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Kontakt mit der Münchner Staatsanwaltschaft auf. „Unsere juristische Abteilung hat sich über den Stand der Dinge informiert. Einen Kommentar können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeben“, sagte DFB-Sprecher Harald Stenger.

Die Recherchen von „Plusminus“ dauerten nach eigener Aussage mehrere Monate. Ein szenekundiger Informant berichtete über Wettabsprachen: „Ich war bei so einem Gespräch dabei. Da hat ein Bundesligaspieler gesagt: ,Wir werden morgen verlieren.’ Und dann hat er noch 10 000 Euro gegen seine eigene Mannschaft gesetzt.“ Den Namen des Spielers nannte der anonyme Informant der ARD jedoch nicht und auch keine Beweise für seine Vorwürfe. Der Wettskandal besitzt nach Einschätzung des ARD-Informanten deutlich größere Ausmaße als die Manipulationen des Berliner Schiedsrichters Robert Hoyzer und seines Hintermanns Ante Sapina. Der Informant nannte Hoyzer und Sapina „kleine Fische“.

Derzeit sitzen in Darmstadt vier Beschuldigte in Untersuchungshaft. Sie sollen Fußballspieler und Trainer für Summen zwischen 5000 und 15 000 Euro motiviert haben, Spiele in europäischen Ligen zu manipulieren. In Deutschland seien bei einem Zweitligaspiel und vier Regionalligaspielen Manipulationsversuche unternommen worden. Im Zentrum dieses Betrugs steht nach Informationen des Magazins „Stern“ ein 45 Jahre alter Chinese. Er sei Kontaktmann einer internationalen Organisation, die bis nach China und Vietnam reiche. Nach Informationen des Tagesspiegels laufen die Ermittlungen schon seit dem vergangenen Jahr. Eine erste Festnahme sei schon im Januar dieses Jahres erfolgt. Ein Anwalt sagte, die Staatsanwaltschaft hätte nach den schlechten Erfahrungen im Fall Hoyzer unter größtmöglicher Geheimhaltung gearbeitet. Offenbar dehnt sich der Betrug bis in die Spielbankszene aus. Bei der Festnahme des 45 Jahre alten Chinesen seien in seiner Bad Dürkheimer Wohnung auch 50 000 Euro Bargeld und Spielbank-Jetons im Wert von 150 000 Euro gefunden worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false