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Kaum Zeit, um innezuhalten. Die Fans trauerten zwar, die Spieler beteten zusammen. Das Spiel zwischen Kansas City und Carolina fand am Sonntag aber trotzdem statt, einen Tag nach der Tragödie.

© Reuters

Schock in der NFL: Bluttat eines Footballprofis - Der US-Sport hat ein Gewaltproblem

Der US-Sport im Allgemeinen und die NFL im Speziellen sind zuletzt immer wieder von Verbrechen und Suiziden erschüttert worden. Die Bluttat des Footballers Jovan Belcher ist da nur ein weiteres trauriges Beispiel.

Berlin - Die Bilder zeigen eine scheinbar glückliche Familie. Auf dem einen hält Jovan Belcher lachend seine drei Monate alte Tochter im Arm. Auf dem anderen sieht man seine Freundin, eine junge Mutter, lange schwarze Haare, das Baby auf dem Schoß, auf der Couch allerhand Spielzeug, die Frau strahlt. Und natürlich gibt es auch noch eine Aufnahme, die alle drei zusammen zeigt. Jovan Belcher hat die Bilder an Thanksgiving getwittert, einem Tag, der in den USA traditionell der Familie gehört. „Wir wünschen allen einen fröhlichen Feiertag“, steht darunter geschrieben. Es sind die letzten übermittelten Aufnahmen der jungen Familie. Keine zwei Wochen später schockiert eine Tat die Vereinigten Staaten, die in dieser Form wohl einmalig ist, einmalig tragisch allemal.

Belcher, Linebacker bei den Kansas City Chiefs, einem Team der National Football League (NFL), hatte am Sonnabend nach einem Streit zunächst seine Freundin erschossen. Anschließend war der 25-Jährige zum Trainingsgelände seines Klubs gefahren. Nach Angaben der örtlichen Polizei unterhielt sich Belcher dort einige Minuten mit Trainer Romeo Crennel und Manager Scott Pioli, übereinstimmenden Medienberichten zufolge bedankte er sich für deren Unterstützung in den vergangenen Jahren. Als schließlich die Polizei eintraf, erschoss sich Belcher vor den Augen Crennels und Piolis selbst. Das Motiv für die Tat ist weiterhin völlig unklar. Freunde und Teamkollegen beschreiben den bulligen Verteidiger in lokalen Zeitungen als lebensfrohen, freundlichen, hart arbeitenden Mann und stolzen Vater. Umso größer ist nun die Irritation.

Der US-Sport im Allgemeinen und die NFL im Speziellen sind zuletzt immer wieder von Verbrechen und Suiziden erschüttert worden. Am Neujahrstag 2007 wurde Darrent Williams von den Denver Broncos bei einer Schießerei getötet. Drei Jahre später nahm sich Kenny McKinley das Leben, auch er spielte für die Broncos. Im Sommer 2012 fand die Polizei O.J. Murdock mit tödlichen Schussverletzungen in seinem Auto auf, der Passempfänger der Tennessee Titans hatte sich ebenfalls das Leben genommen. Darüber hinaus gerieten Dutzende weitere Basketballer, Baseballer und Footballer mit dem Gesetz in Konflikt: Messerstechereien, Prügeleien, häusliche Gewalt, Drogendelikte. Nun also Jovan Belcher.

Der US-Sport hat ein offensichtliches Gewaltproblem, dessen Ursachen tief in der Gesellschaft verwurzelt sind. Die Mehrzahl der auffällig gewordenen Profis entstammt sozial benachteiligten Milieus, aus denen sie sich auch nicht lösen können, wenn sie millionenschwere Profi-Verträge unterschrieben haben. „NFL-Commissioner Roger Goodell hat diesem Problem zwar schon lange den Kampf angesagt und es zur Chefsache erklärt“, sagt Football-Kolumnist Mike O’Hara. „In den vergangenen Jahren verging allerdings kaum eine Spielzeit ohne aufsehenerregende Zwischenfälle.“ Für gewöhnlich ist die öffentliche Empörung meist ausgeprägt, aber von kurzer Dauer.

Das gilt auch für den Fall Jovan Belcher. Einen Tag nach der Tragödie bestritten die Kansas City Chiefs ihr Spiel gegen die Carolina Panthers planmäßig, eine Verlegung wurde kurz diskutiert, der Gedanke aber schnell verworfen. Das Team von Headcoach Romeo Crennel gewann ein sportlich bedeutungsloses Match 27:21, es hat ohnehin längst keine Chancen mehr auf den Play-off-Einzug. „Im Moment haben wir andere Sorgen“, sagte Cranell dem Fernsehsender ESPN.

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