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Mr. Bean als Symphoniker.

© Reuters

Schön eröffnet: Das Feuer blüht

Bei der Eröffnungsfeier am Freitagabend im Londoner Olympiastadion treffen sich zwei Suchende: England und Olympia. Und sie finden neue Leichtigkeit.

Der letzte Eindruck war ein sanftes Klingeln. London sagte mit einem Glockenspiel Gute Nacht und bis morgen, ein bisschen erinnerte es an Westminster, eine Zeitansage also, dass die Uhr jetzt wirklich tickt für diese Olympischen Spiele. Und eine Aufforderung, die Eröffnungsfeier noch etwas nachklingen zu lassen.

Das war auch möglich, denn im Gegensatz zur Feier vor vier Jahren in Peking dröhnten die Ohren nicht vom Feuerwerk. Auch London schoss ein paar Raketen in den Himmel, aber im Vergleich zu Chinas Krachern waren es nur Knallfrösche. Die Luft blieb klar, es legte sich kein schwefliger Nebel über die Spiele. Ein Vermächtnis will London der olympischen Bewegung hinterlassen und begann damit schon bei der Eröffnungsfeier. Dass es auch leicht und verspielt bei Olympia zugehen kann, das gehört zu diesem Vermächtnis, und es ist Regisseur Danny Boyle auch dank der Hilfe der Queen gelungen, die erstmals in einem kleinen Film mitgespielt hat, dazu kamen James Bond, viel Pop und Mr. Bean.

Was London Olympia außerdem geben kann, dafür wäre bei dieser Eröffnungsfeier allerdings noch mehr Zeit und Platz gewesen, zumal die Welt nicht noch einmal so konzentriert zuschaut wie am Freitagabend. Boyle traf mit seinem Team auch einige mutige Entscheidungen, bei anderen blieb er im bekannten Rahmen. Etwa dabei, erst einmal ein bisschen Landesgeschichte zu erzählen. Die Kulissen waren originell, als auf der grünen Wiese Cricket und Fußball gespielt wurde und dann die Industrie alles veränderte, aber all das ist eben lange her. Und es ging auch etwas unter, dass das kleine Liebesdrama, das Boyle zwischendurch zu Rock, Punk und Britpop aufführte, eigentlich als Hommage an Tim Berners-Lee gedacht war, den Erfinder des World Wide Web, weil sich das Paar am Ende über die sozialen Netzwerke verabredet. Von Großbritannien geht also noch etwas aus, was die Zukunft bestimmt. Aber vielleicht eben nur der bunte Startschuss, den Rest erledigt die Welt alleine.

Gut möglich, dass Boyle solche Aussagen auch gewollt hat. „Großbritannien war 100 Jahre überall auf der Welt, jetzt muss es seinen Platz erst wieder finden“, sagte der Regisseur. Da trifft es sich eigentlich ganz gut, dass die Olympischen Spiele ihre Bestimmung auch wieder neu finden müssen, so haben sich gerade die beiden richtigen zusammengetan.

Vom Auftakt der Spiele ist dafür Großbritannien gerade so begeistert, dass mancher aufpassen muss, um nicht vor Stolz zu platzen. „Ich war noch nie so stolz, Brite und Teil der olympischen Bewegung zu sein, wie an diesem Tag und in diesem Moment“, sprach Organisationschef Sebastian Coe feierlich ins Mikrofon. „Für jeden Briten, auch die Athleten, ist jetzt die Zeit gekommen. Und eines Tages werden wir unseren Kindern und Enkeln erzählen, dass wir es richtig gemacht haben, als unsere Zeit kam.“

Die Briten sind durch diese Feier ganz hingerissen von sich selbst. „London erleuchtet die Welt“, schrieb „Independent“ und hatte die „großartigste Show der Welt“ gesehen. Auch der „Guardian“ war nicht weniger zurückhaltend, als er von der „Nacht der Wunder“ schwärmte: „Schillernd und einfallsreich – Boyle bekommt die Lizenz und schüttelt alles durch. Dank Danny Boyle haben wir nun wirklich alles einmal gesehen.“ Überhaupt sind die Zeitungen gerade voll von den exakten Auflistungen, in welchen Sportarten britische Athleten nun wohl welche Medaillen gewinnen könnten. Das Understatement wurde gerade beiseite gelegt.

Was den Geist der Spiele und auch der britischen Gesellschaft ausmacht, das haben dafür die Zuschauer gezeigt mit ihrem Jubel für die freiwilligen Helfer der Spiele; und IOC-Präsident Rogge dankte den Volunteers dafür, dass sie „so großzügig mit ihrer Zeit, ihrer Energie und ihren einladenden Lächeln sind“. Da war der Geist der Spiele auf einmal sehr präsent. Ebenso bei der mit der größten Spannung erwarteten Aktion der Feier, wer denn wie das Feuer entzünden wird.

Hier besaß Boyle den größten Mut. Und Olympia könnte es nur gut tun, wenn dieser charmante Moment ein bleibender wäre. Nicht ein Sportpromi entzündete die Flamme, der vor lauter Medaillen um den Hals schon einen Buckel hat. Boyle übertrug diese Aufgabe sieben jungen Athleten zwischen 16 und 19 Jahren, ausgewählt von sieben britischen Sportlegenden wie den Leichtathleten Kelly Holmes und Daley Thompson oder Ruderer Steve Redgrave. Die Flamme weitergeben, nicht die Asche. Hier hat London schon sein Motto der Spiele eingelöst: Inspire a generation.

„Diese Entscheidung kommt von Herzen“, sagte Boyle. Ihre Umsetzung war allerdings auch etwas verkopft. Erst brachten Kinder für die 204 teilnehmenden Länder neben den Fahnenträgern eine Kupferschale ins Stadion, aus diesen Schalen entstand dann in der Mitte des Stadions ein Feuerkranz in zehn Ringen, der sich wie ein Blütenkelch zu einer großen Flamme schloss. „Wir haben das nur einmal im Stadion ausprobiert, nachts um drei, als keine Hubschrauber mehr geflogen sind und wir nur noch zu viert im Stadion waren“, erzählte Thomas Heatherwick, der die Flamme entworfen hat.

Bei der Schlussfeier bekommt jede Nation ihre Schale wieder und nimmt sie mit nach Hause. Das Feuer als Blume, die nur für die Dauer der Spiele blüht. Und die olympische Bewegung wird darauf hoffen, dass das Vermächtnis von London nicht verwelkt.

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