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Sport: Schumacher bis zum Schluss

Der Deutsche zeigt zum Abschied statt großer Emotionen ein großes Rennen

Um 19.02 Uhr verließ Michael Schumacher die Stätte seines letzten Auftritts als Formel-1-Pilot. Umringt von der üblichen Horde von Fernsehteams und Fotografen, im bohrenden Licht der Kamerascheinwerfer, die die schon hereingebrochene Dunkelheit von São Paulo durchschnitten, verkündete er fast erleichtert: „Es gibt keinen Formel-1-Fahrer Michael Schumacher mehr.“ Dann drehte er sich um und ging.

Der 37-Jährige folgte seiner Frau Corinna, die die Strecke von Interlagos bereits eine Stunde zuvor verlassen hatte, zur großen Abschiedsfeier mit Familie und Freunden im Hotel Hyatt. „Heute zum Abschluss geben wir noch mal richtig Gas“, hatte sie gesagt. Gas gegeben wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit – aber im Rampenlicht hatte Schumacher ohnehin schon Stunden zuvor im Rennen gestanden. Obwohl er bei seinem 250. und letzten Auftritt in der Formel 1 als Vierter den Sieg seinem Ferrari-Teamkollegen Felipe Massa und den WM-Titel dem Spanier Fernando Alonso überlassen musste, wurde er für seine finale Vorstellung mit Komplimenten überhäuft. Selbst Flavio Briatore, der Teamchef des großen WM-Rivalen Renault, gestand: „Das war schon klasse, was Michael da heute abgezogen hat.“

Nachdem Schumacher wegen technischer Probleme nur von Position zehn in den Großen Preis von Brasilien gestartet war, beschädigte er sich bei einem Überholmanöver gegen Renault-Pilot Giancarlo Fisichella den linken Hinterreifen und fiel sogar auf den letzten Platz zurück. Doch Schumacher startete eine grandiose Aufholjagd mit Rundenzeiten, die klarmachten: Ohne das Problem hätte er seiner eindrucksvollen Karrierebilanz wohl auch noch den 92. Sieg hinzugefügt. „Wir hatten ein Wahnsinnsauto und hätten ohne die ganzen Probleme heute alle überrunden können“, sagte Schumacher.

Bei Halbzeit hatte er sich schon auf Platz 10 nach vorne gearbeitet, als Siebter kam er in der 48. Runde zu seinem zweiten Boxenstopp. In der 63. trieb er Giancarlo Fisichella in einen Fehler – Platz fünf. Drei Runden vor Schluss bescherte ihm das Schicksal schließlich die Genugtuung, sich mit seinem letzten Überholmanöver an Kimi Räikkönen vorbeizudrängeln – jenem Finnen, der im kommenden Jahr seinen Sitz bei Ferrari einnehmen wird. Um 15 Uhr 35 Ortszeit war die Karriere des erfolgreichsten Formel-1-Piloten aller Zeiten mit einem vierten Platz beendet. „Es hat heute leider nicht sollen sein für mich, aber für Felipe freut es mich tierisch“, sagte Schumacher danach. „Und natürlich auch Gratulation an Fernando.“ Der Spanier jubelte nebenan mit seinem Team Renault über die Einzel- und die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft.

In der Ferrari-Garage versammelten die Feierlichkeiten um den Heimtriumph des Brasilianers Felipe Massa so viele Fans, Familienmitglieder und Freunde, dass sie die wehmütige Stimmung angesichts des Abschieds von Michael Schumacher ein wenig übertönten. Erst als es schon fast dunkel war, stellte sich das Ferrari-Team noch einmal in Gänze den Fotografen und dankte mit einer „Grazie Michael“-Tafel dem Mann, der dem Rennstall fünf Titel und mehr Siege als alle Fahrer zuvor beschert hat. Tränen flossen nur wenige, auch der Deutsche blieb vergleichsweise sachlich. „Ich fühle mich noch nicht nach Abschied, ich bin ja gerade erst fertig“, sagte er. „Das kommt erst, wenn man zu Hause sitzt.“

Sogar an den ausgiebigen technischen Besprechungen nach dem Rennen hatte Schumacher noch teilgenommen und war deswegen erst sehr spät zu seinen Abschiedsinterviews erschienen. „Das kann für das nächste Jahr noch wichtig werden“, sagte er in einer Mischung aus Entschuldigung und Verwunderung über die Frage nach seiner Verspätung. „Nach dem Rennen ist vor dem Rennen.“ Erst später fiel ihm ein: Für Michael Schumacher wird es kein nächstes Rennen geben.

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