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Sport: Schussfahrt mit Balance

Der armamputierte Gerd Schönfelder hat bei den Paralympics von Turin schon Gold und Silber gewonnen

Es gibt wohl keinen Paralympics-Sieger, der so schön feiern kann wie Gerd Schönfelder. Der 35 Jahre alte Alpinskifahrer aus der Oberpfalz ist gleich mit mehreren Mannschaftskameraden seines Heimatfußballvereins SV Kulmain zu den paralympischen Winterspielen nach Sestriere gereist. „Ei-jei-ja, wir haben einen Gold-Gerd, ei-jei-ja, Gold-Gerd wunderbar“, hallt es aus vielen Männerkehlen. Seine Mannschaftskameraden hatten schon mehrfach Anlass, ihren Gerd bei den Winterspielen hochleben zu lassen: Der Bayer gewann Gold in der Abfahrt und Silber im Super G. Am heutigen Donnerstag startet der armamputierte Sportler im Riesenslalom, am Sonnabend im Slalom.

Dass er sich beim Super G am Montag nur wegen zwei Hundertstelsekunden gegen den Goldmedaillengewinner Walter Lackner aus Österreich geschlagen geben musste, trübte seine Freude keineswegs. „Ich bin superglücklich. Der Luck Lackner ist ein Supersportsmann, er hat das verdient.“ Doch während im mit Holz vertäfelten Haus der Österreicher in Sestriere der Landsmann mit Goldmedaille nur verhalten bei Apfelstrudel, Wein und Bier gefeiert wurde, kam erst nach dem Einzug des Schönfelder-Fanklubs in schicker Luis-Trenker-Lodenkleidung richtig Stimmung auf. Begleitet wird Schönfelder immer von seinen Eltern, seiner Schwester, seinem Bruder – und seiner Freundin Christina, mit der er nun seit sechseinhalb Jahren zusammen ist. „Ich kannte den Gerd schon vor seinem Unfall über meine Schwester“, sagt die 30-Jährige mit den dunklen Augen und Haaren.

Damals, im September 1989, wollte der staatlich geprüfte Elektrotechniker und Sportfachhändler nach der Arbeit noch schnell den Zug erwischen. Die Bahn war schon angefahren, er sprang auf, blieb hängen, wurde mitgeschleift. Seitdem lebt er ohne den rechten Arm und mit nur zwei Fingern an der linken Hand. Doch das Mobiltelefon nimmt der insgesamt elffache Paralympics-Sieger immer wieder geschickt zur Hand, um Gratulationen aus der Heimat entgegen zu nehmen. „Das ist einfach irre, dass die Ränge im Ziel immer voll besetzt sind, das sind ja mehr Zuschauer als bei den Olympischen Spielen“, sagt Schönfelder ins Telefon. Es sind Medienvertreter, Fachpublikum, und Schüler aus ganz Italien, die vor allem ihre Landsleute lautstark anfeuern.

Das Publikum soll für den paralympischen Sport bald auch bei einem Demonstrationswettkampf zwischen dem Wintersportler Gerd Schönfelder und dem Sommerathleten Wojtek Czyz begeistert werden. Der dreifache Paralympics-Sieger bei den Spielen in Athen 2004 und Schönfelder haben im Internationalen Deutschen Club in Sestriere ein Gipfeltreffen der anderen Art verabredet: Sie wollen gegeneinander Ski fahren und weitspringen – um zu demonstrieren, wie weit die Leistungen auch im paralympischen Sport in den einzelnen Wettkampfarten inzwischen professionalisiert sind.

Gerd Schönfelder wird den Wettstreit aber sicher lockerer angehen als sein Kontrahent. Am gestrigen freien Tag feuerte der Ausnahme-Skifahrer seine Mannschaftskollegen vormittags an der Langlaufstrecke in Pragelato an. Nachmittags wollte er wieder auf die Piste, zum Training. Ob er nicht mal mit seiner Freundin zum Bummeln nach Turin fahren wolle? „Naja, es stehen ja noch die zwei Wettkämpfe an“, sagt Schönfelder in Pragelato. Wenn hier in Italien alles vorbei ist, geht er erstmal Inline skaten und Rennrad fahren – und sicher weiter feiern.

Annette Kögel[Sestriere]

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