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Sport: Schweigen im Spreewald

Cottbus verliert und verliert – jetzt geben sogar die Fans auf

Cottbus. Wie reagiert ein Fußballspieler, wenn nichts mehr geht? Christian Beeck hat seine persönliche Antwort. Beeck sagt: „Wir gehen zum Sozialamt, nehmen unsere Lohnsteuerkarten und spielen ab Montag Handball bei TuS Walle.“ Oder: „Falls es Ihnen lieber ist, können wir heulend mit ’nem Taschentuch hier herumrennen.“ Dann schließlich: „Was soll schon das richtige Patentrezept sein? Wir haben sieben Spiele verloren, 22 Tore kassiert. Woher, bitte schön, soll ich wissen, was jetzt zu tun ist?“ Beeck war gar nicht gut gelaunt.

Nun liegt es nicht allein am Mannschaftskapitän des Bundesligisten FC Energie, dass das Konzept Cottbus seit einigen Wochen nicht mehr funktioniert. Am Sonnabend verlor sein Arbeitgeber schon wieder, diesmal 0:2 gegen Hertha BSC. Es war die siebte Niederlage im neunten Spiel. Und wieder hatte der FC Energie kein Tor geschossen. Das ist der Mannschaft nun schon zum sechsten Mal passiert. In Cottbus sind sie einfach nur noch ratlos.

Lange hatte der Klub gut mitgehalten, sogar die besseren Torchancen gehabt. Doch als der Cottbuser Torhüter Tomislav Piplica einen für Marcelinhos Verhältnisse harmlosen Freistoß durchrutschen ließ, da war sie wieder da: jene Unsicherheit, gar Lustlosigkeit, die sie in Cottbus bislang nicht kannten. „Die haben die Niederlage einfach hingenommen“, sagte der Berliner Andreas Neuendorf später irritiert. Gegen Hertha war Cottbus zuvor immer motiviert gewesen. Für die Menschen in der Lausitz war es das Derby gegen den großen Nachbarn aus der großen Stadt. Etwas Besonderes. Drei der vier Bundesligaspiele hatte Cottbus bislang gewonnen. In Berlin sprachen sie sogar schon vom Angstgegner. Nun sagt einer wie Neuendorf: „Die waren immer heiß gewesen, aggressiv. Aber irgendwie haben die diesmal nur darauf gewartet, dass die Uhr abläuft.“ Später sagte er noch: „Cottbus ist nicht mehr das, was es einmal war.“ Er meinte das ohne Häme.

Trotzdem: Warum läuft es in diesem Jahr so anders, so schlecht? Seit acht Jahren arbeitet Eduard Geyer nun als Trainer in Cottbus. Immer ging es bergauf, von der Regionalliga in die Bundesliga. Seitdem sich die Mannschaft aber nicht mehr wehrt, nicht mehr kämpft, sondern einfach nur hilflos auf dem Platz steht, da gerät auch der Trainer immer mehr in die Kritik. „Geyer raus!“ haben die Cottbuser in den vergangenen Wochen gerufen. Am Sonnabend schwiegen sie. Die ganze Zeit. Das war noch viel schlimmer. Jetzt ergeben sich sogar die Zuschauer.

Trainer Geyer haben die letzten Tage verändert. Er wirkt manchmal abwesend. Seine Stimme ist leiser, ruhiger geworden. Er poltert nicht mehr so aggressiv, so kernig. Klar, Geyer rennt noch immer herum wie früher. Das sieht man daran, dass vor seinem Trainerstuhl nur Matsch zu sehen ist, kein Rasen mehr. Aber wenn seine Spieler Fehler machen, dann setzt er sich hin und kritzelt in sein blaues Notizbuch. Früher hat er mehr Kommandos gegeben. Wenn Geyer heute flucht, dann ist es Frust. Mannschaftskapitän Beeck sagt: „Was soll er machen? Er ist doch schon acht Mal auf die Tribüne verwiesen worden.“ Am Sonnabend wurde er vom Schiedsrichter erneut ermahnt.

Das Präsidium steht noch hinter dem Trainer. Manager Klaus Stabach sagt: „Wir halten nicht viel von einem Trainerwechsel.“ Wenn die Situation aber nicht besser werde, dann „wird Ede Geyer selbst das Handtuch schmeißen“. Der Trainer hat das dementiert. Dennoch: Im Sommer läuft sein Vertrag aus. Ein neuer Trainer würde die alten, verkrusteten Cottbuser Strukturen auflösen. Aber ob Energie damit Erfolg hätte, ist fraglich. Cottbus passt zu Geyer. Und umgekehrt. Mit einem anderen Mann würde der Verein einen Teil seines Images verlieren. In Cottbus müssen sie nur aufpassen, dass sie dann überhaupt noch eins haben.

André Görke

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