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Unterm Rad. Der Umzug ins Velodrom soll den Wettkämpfen der Beckenschwimmern zu einer besonderen Atmosphäre verhelfen.

© dpa

Schwimm-EM im Velodrom als Olympia-Test: Willkommen in der Wasserstadt Berlin

Die deutsche Mannschaft will sportliche Erfolge feiern und Werbung für den Schwimmsport machen. Auch Berlin hofft, von den Europameisterschaften zu profitieren.

Noch hampelt Drops etwas verloren durch das Foyer das Velodroms. Das korpulente Maskottchen, einem Wassertropfen nachempfunden, scheint den Beginn der 32. Schwimm-Europameisterschaften kaum abwarten zu können. Am Dienstag durfte Drops nur ein paar Funktionäre, Journalisten und Freiwillige bespaßen, ab heute wird er auch auf leibhaftige Zuschauer losgelassen. Für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) beginnen zwölf spannende und organisatorisch wie sportlich anspruchsvolle Tage. „Wir wollen nicht nur tolle Wettkämpfe erleben, sondern es muss auch ansprechend für die Zuschauer und die Anforderungen des Fernsehens sein“, sagt DSV-Präsidentin Christa Thiel.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden die Wettbewerbe der Beckenschwimmer ins Velodrom verlegt, in dem ein temporäres Becken aufgebaut wurde. „Einen Traum“, nennt Thiel die Atmosphäre in der zur Schwimmhalle umfunktionierten Radsportarena. Nebenan, in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark, werden Synchronschwimmer und Wasserspringer antreten. Mit Bezug auf die Freiwasserstrecke in Grünau spricht Christa Thiel von „zwei Clustern – um im olympischen Sprachgebrauch zu bleiben“.

Das Thema Olympia wird in den kommenden Tagen gleich mehrfach präsent sein. In Berlin wird bekanntermaßen über eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 nachgedacht, als einer der Geldgeber für die Schwimm-EM darf sich der Senat eine gute Portion Werbung in eigener Sache erhoffen. Beim DSV ist man sich dieses Anspruchs bewusst, Thiel verweist in dieser Hinsicht auf die Leichtathletik-WM 2009 im Berliner Olympiastadion. „Das war eine Topveranstaltung der olympischen Kernsportart Leichtathletik“, sagt die DSV-Präsidentin. „Schwimmen ist die zweite Kernsportart, insofern hat unsere EM da auch eine entsprechende Bedeutung.“ Man wolle alles tun, damit die Europameisterschaft „ein hochklassiges und international mit großem Renommee ausgestattetes Event“ werde.

Deutschland ist mit 58 Athleten in Berlin am Start

Auch rein sportlich gesehen hat die Europameisterschaft eine olympische Note. Nach dem Debakel von London 2012 hat sich der DSV neu ausgerichtet, der neue Chef-Bundestrainer Henning Lambertz will mit einem ambitionierten Nachwuchsprogramm zurück in die Weltspitze. 2016 in Rio de Janeiro sollen erste Erfolge sichtbar sein, Fernziel ist Olympia 2020 in Tokio.

In Berlin werden im 58 Sportler zählenden deutschen Team aber noch die alten Stars wie Paul Biedermann oder Steffen Deibler für Medaillen und Schlagzeilen sorgen müssen. Für die nächste Generation kommt die Heim-EM wohl noch ein bisschen zu früh. Mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hat sich der DSV auf eine Vorgabe von 14 bis 19 Medaillen geeinigt. „Wir haben Ziele vereinbart, die erreichbar, aber auch sehr anspruchsvoll sind“, sagt DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow.

Vor zwölf Jahren war Berlin schon einmal Ausrichter der EM, damals gewann die deutsche Mannschaft die Nationenwertung, Franziska van Almsick holte fünf Goldmedaillen und wurde anschließend zur Sportlerin des Jahres gewählt. Diesmal sind die Ansprüche bescheidener, im Becken des Velodroms sollen sechs bis acht Medaillen herausspringen. „Ich denke, dass die arrivierten Athleten hier einen guten Job machen werden“, sagt Christa Thiel. „Und dass sich die Kleinen daran messen können und entsprechend herangezogen werden, damit 2016 schon ein bisschen gut aussieht und 2020 noch besser.“

Der europäische Schwimmverband ist von Berlin begeistert

Der europäische Schwimmverband LEN gibt sich jedenfalls begeistert über die Bedingungen, die er in Berlin vorgefunden hat. Geschäftsführer Paulo Frischknecht zählt etliche Rekorde auf, die die Europameisterschaft bereits vor ihrem Start aufgestellt habe: 930 Athleten aus 45 Nationen treten in Berlin an, erstmals wird bei einer EM ein temporäres Schwimmbecken eingesetzt, am Fernseher sollen insgesamt mehr als eine Milliarde Zuschauer die 64 Entscheidungen verfolgen. „Berlin wird immer mehr zur Sportstadt, die nächsten zwei Wochen wird es eine Wasserstadt sein“, sagt LEN-Geschäftsführer Paulo Frischknecht fast schon feierlich.

Wie viel die Verwandlung in eine Wasserstadt kosten wird, will man beim DSV nicht sagen. Christa Thiel spricht von einem Etat im einstelligen Millionenbereich und will bei der Eröffnungs-Pressekonferenz keine konkreten Zahlen nennen. Sie sagt nur mit einem vorsichtigen Lächeln: „Es wird teurer als 2002.“ Frischknecht springt ihr sofort bei: „Aber auch viel, viel besser als 2002.“ Ob er recht behält, werden die nächsten Tage zeigen.

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