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© AFP

Schwimm-Weltcup in Berlin: Biedermann überrascht mit Weltrekord

Paul Biedermann schwimmt in Berlin über 200 Meter Freistil so schnell wie keiner vor ihm. Nun soll der Hoffnungsträger andere deutsche Schwimmer mitreißen.

Paul Biedermann drückte sich hektisch die Baseballkappe auf den Kopf. Die war jetzt das Wichtigste, schließlich standen die ganzen Kameras vor ihm. Er atmete noch schwer, er hatte noch Wassertropfen im Gesicht, egal, das Logo seines neuen Sponsors auf der Kappe musste jetzt gut zu sehen sein. Denn jetzt fingen sie ihn alle ein mit ihren Linsen, Paul Biedermann aus Halle an der Saale war am Sonntag seit 14.10 Uhr der Star des Schwimm-Weltcups in Berlin, jedenfalls für die deutschen Medien. Der 22-Jährige hatte ein taktisch exzellentes Rennen über 200 Meter Freistil mit einer kleinen Sensation beendet: 1:40,83 Minuten, Weltrekord, die Welt-Bestmarke von Ian Thorpe aus Australien (1:41,10) deutlich verbessert, den eigenen Deutschen Rekord (1:42,39) förmlich pulversiert.

Biedermanns Trainer hatte vorher witzelnd vom Weltrekord gesprochen

Biedermann stieß, immer noch schwer atmend, mehrmals hervor: „Es war so geil.“ Am Beckenrand hatte Frank Embacher, sein Trainer, nur fassungslos gelacht, als er die Zeit sah. Lutz Buschkow, dem neuen Sportdirektor des Deutschen Schwimmverbands, hatte er vor dem Rennen noch gesagt: „Paul schwimmt die drittbeste Zeit, die je in der Welt erreicht wurde.“ Das wäre Deutscher Rekord gewesen. Mit seinem Athleten hatte er einen anderen Dialog. „Heute ist de Tag für einen Weltrekord“, hatte er vor dem Einschwimmen locker erklärt, so als redeten sie übers Wetter. „Gut“, erwiderte Biedermann, „dann machen wir das so.“ Eine Mischung aus Gespür für die Situation und reinem joke.

Biedermann war aus vollem Training ins Wasser gesprungen, er hatte eigentlich die Deutsche Kurzbahn-Meisterschaften in Essen in zwei Wochen im Blick. „Deshalb bin ich völlig überrascht“, sagte Biederman. „Aber ich konnte bei 150 Metern noch mal zulegen.“ Er hatte im Wasser kein Gefühl für die Zeit, er wusste nur, wie weit er vor seinen Gegnern lag.

Dieser Weltrekord hat natürlich auch eine symbolische Wirkung. Es geht um die Präsentation des deutschen Schwimmens. Die Weltmeisterschaft in Melbourne war enttäuschend, die Olympischen Spiele auch, die Sinnkrise hatte Funktionäre, Sportler, Trainer und Medien ergriffen, da ist ein Erfolgserlebnis wichtig. Gut, dieser Weltrekord ist eine Einzelleistung, aufgestellt nur auf der Kurzbahn, der Weltcup ist keine große Meisterschaft, bei der es groß um Nervenstärke geht. „Aber dieser Weltrekord hat durchaus auch eine große Bedeutung“, sagt Dirk Lange, der neue Bundestrainer. „Trainingsmethodisch ist die Kurzbahn durchaus eine gute Vorbereitung auf die 50-Meter-Bahnen.“

Früher war Biedermann phlegmatisch und ernährte sich falsch

Vor allem aber bestätigt Paul Biedermann seine Rolle. Er ist mit Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen Hoffnungsträger des deutschen Schwimmens. In seinem Sog, so hofft es Lange, sollen andere mitgezogen werden. Biedermann ist im Frühjahr Europameister über 200 Meter Freistil geworden, er hat bei den Olympischen Spielen in Peking Platz fünf über diese Distanz belegt, er gehört zu den wenigen deutschen Schwimmern, die nicht nahezu endlos über den Schwimmanzug des deutschen Ausrüsters diskutierten.

Biedermann hat seine phlegmatische Phase seit zwei Jahren hinter sich, mit Embacher hat er einen Trainer, der eine klare Ansage als Teil des Trainingsprogramms betrachtet. Seit Biedermann sich vernünftig ernährt, seit er im Training in den harten Schmerzbereich geht und sich bei Wettkämpfen nicht von Kleinkram ablenken lässt, seither verkörpert er diese Art von Schwimmer, die es in der Weltspitze schaffen und sich dort halten können. Seine Spitzenzeit von Berlin ist die Bestätigung für einen Weltklasseschwimmer, keine Ausnahme. Überraschend ist nur, dass er gleich Weltrekord geschwommen ist.

Einen hat Biedermann in seinem Sog schon mitgenommen. Marco Koch, der 18-Jährige aus Darmstadt, schwamm gestern nach Biedermanns Weltrekord über 100 Meter Brust Deutschen Rekord in 58,96 Sekunden. Er ist der erste Deutsche, der unter 59 Sekunden blieb. „Mich hat Paul Biedermann motiviert, keine Frage“, sagte Koch.

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