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Sport: Sechstagerennen: Die große Jagd der Mausetoten

Mit dem Fieberthermometer im Mund sieht Alexander Aeschbach nicht gerade wie ein Held aus. Kreidebleich, die Augen rot und von dicken Rändern eingerahmt - letztlich schleicht der Schweizer mit einer Packung Pillen in der Hand wieder zu seiner Koje.

Mit dem Fieberthermometer im Mund sieht Alexander Aeschbach nicht gerade wie ein Held aus. Kreidebleich, die Augen rot und von dicken Rändern eingerahmt - letztlich schleicht der Schweizer mit einer Packung Pillen in der Hand wieder zu seiner Koje. Und ein paar Minuten später sitzt er wieder auf seinem Rennrad, und schon läutet die Glocke zum nächsten Sprint ...

Als Profi im Sechstage-Geschäft kann ein Fahrer vom Bahnarzt für maximal 24 Stunden neutralisiert werden. Nur bei der Gefahr einer Lungenentzündung, wie beim Australier Scott McGrory, kommt das sofortige Aus. Das wiederum ist eine Entscheidung, die Sponsoring-Chef Rainer Schnorfeil den Schweiß auf die Stirn treibt. Seine Geschäftspartner haben viel bezahlt, damit die Trikots mit ihrer Werbung sechs Tage lang gezeigt werden. Von Tag zu Tag wird die Gefahr größer, dass es neben McGrory und Frank Kowatschitsch aus Stuttgart auch die Stars erwischen könnte.

"Wenn ich die Fahrer frage, wie sie sich fühlen, dann legen sie nur noch einen Zeigefinger an die Halsschlagader", sagt der Sportliche Leiter Otto Ziege mit sorgenvollem Blick, "was soviel heißt wie mausetot." Auf der Bahn ist ihnen dann zwar meist kaum etwas anzumerken (Ziege: "Die einmalige Stimmung in Berlin beflügelt sie alle"), aber kaum ist das Rad abgestellt, geht das Husten los. "Unter diesen Umständen werden wir auch in diesem Jahr wieder nicht gewinnen", meint Kurt Betschart und nennt die Schuldigen dafür. "Seit Jahren beschweren wir uns darüber, dass es beim Stuttgarter Sechstagerennen zu kalt ist. Außerdem gab es nicht einmal eine Nacht der Ruhe zwischen diesem Rennen und dem Start in Berlin", erzählt er. "Aber ein Boykott ist für uns Profis nicht drin." Mehr möchte er nicht sagen. Unterdessen fährt sein Partner Bruno Risi im weißen Trikot mit der Sechs die nächste Attacke, obwohl es ihm nicht viel besser geht. "Wir sind Kämpfer", sagt der später, "werden schon über die Runden kommen."

Risi/Betschart aus der Schweiz, die Hallensprecher Herbert Watterott ankündigt, dass sie nur "im Paket zu bekommen sind und nur als Paar siegen", sind mit 26 Sixdays-Erfolgen die derzeit Erfolgsreichsten in der Szene. Nur im höchsten Ausnahmefall fahren sie mal ein paar Stunden nicht zusammen. Wie in der dritten Nacht im Velodrom, als für Betschart der Straßenprofi Torsten Schmidt einsprang. "Wir haben kurz miteinander gesprochen, dann ging es los", meinte der Vize-Weltmeister im Bahnvierer von 1993, der nunmehr beim Team Gerolsteiner unter Vertrag steht. "Es hat Spaß mit ihm gemacht", lobt im Gegenzug Bruno Risi. Schmidt, einer der wenigen Gesunden in den verbliebenen 17 Teams, ist es auch zu verdanken, dass die nunmehr wieder zusammen fahrenden Risi/Betschart nach dem vierten Tag nur eine Runde zurückliegen. "War eine gute Nummer", beglückwünschte ihn Otto Ziege, während hinter ihm Jimmi Madsen gerade einen Hustenanfall bekommt. Der Däne hatte schon am zweiten Tag das Thermometer im Mund.

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