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Luftfahrt auf dem Wasser. Der Deutsche Philip Köster springt höher als der Rest der Weltelite im Windsurfen. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Selbst Wind machen

Philip Köster kämpft auf Maui nicht nur um den dritten WM-Titel, sondern gegen die Flaute seiner Sportart.

Philip Köster liebt das Surfrevier vor Westerland: Wind in verschiedenen Stärken aus wechselnden Richtungen, kleine, harte Wellen, manchmal auch richtige Brecher – diese Bedingungen sind wie gemacht für einen Allrounder. Doch der Weltcup Anfang Oktober auf der Nordseeinsel fiel aus: Flaute. Zu gern hätte Köster den dritten Weltmeistertitel im Wellenreiten hintereinander vor heimischem Publikum bejubelt. So aber muss es der 19 Jahre alte Profi in diesen Tagen auf Maui, Hawaii, versuchen, dem nächsten und vorletzten Saisonstopp der Professional Windsurfers Association (PWA). Und Köster wäre nicht Köster, könnte er der Herausforderung nichts Gutes abgewinnen: „Auf Maui gibt es weniger Sprünge, dafür mehr Wellenritte“, sagt er fröhlich, „das liegt mir nicht so. Aber ich werde es ausprobieren und mein Bestes geben.“

Dass es vor Ho’okipa zum Duell mit seinem Vorbild Robby Naish kommt, der mit 50 Jahren für einen Wettkampf zurückkehrt, beurteilt Köster höflich: „Ich finde es cool. Robby hat das Surfen bekannt gemacht.“ In Wahrheit ist Naishs Heimcomeback ein Marketinggag, um Sponsoren und Zuschauer zu locken – im Wellenreiten hat der Champ von einst keine Chance gegen die halb so alte Konkurrenz, schon gar nicht gegen Köster. Doch der Branche hilft’s, wenn der Altstar noch mal aufs Brett steigt.

Manchmal ist der Weltverband so unberechenbar wie der Wind. Nur fünf Stationen waren für diese Saison geplant; auf Teneriffa gewann Köster zum Start der Serie im Juli, Mitte September im unwirtlichen dänischen Klitmöller – in der Szene nur „cold Hawaii“ genannt – landete er überraschend auf Rang zwei hinter dem Brasilianer Marcillio Browne. Der Weltcup in Gran Canaria fiel mangels Wind wie Sylt aus, im November soll Chile die Serie beenden – Maui wurde dazwischengeschoben, weil sich Naish engagierte. Der Serie fehlt schlichtweg das Geld für mehr; bis Anfang des Jahrtausends, als die Surfindustrie noch viel mehr Bretter und Segel verkaufte, gab es zwölf Weltcup-Stopps, natürlich auch in Asien (Japan). Alles war größer, bunter, mit mehr Preisgeld. „Es wäre toll, wenn wir mehr Stopps hätten“, sagt Köster, „dann hätte ich mehr Wettkämpfe und mehr Chancen, mich zu verbessern.“ Das ist ihm das Wichtigste: besser werden.

Aber er muss auch werben. Für sich, und die ganze Sportart. So hat Köster die erste Jahreshälfte genutzt, um Bretter und Segel zu testen, sich mit dem neuen Material ablichten zu lassen und Werbeauftritte seiner drei großen Sponsoren wahrzunehmen. Dass er neben den Fidschi-Inseln und Australien auch das Revier Maui ausprobierte, wird ihm sicher helfen.

Die Wettkämpfe hat er im ersten Halbjahr vermisst. Langweilig war ihm indes nicht. „Ich habe viele Medien- und Sponsorentermine“, sagt er, „ich weiß, was ich machen muss.“ Auf eine niedrige sechsstellige Summe werden seine Einnahmen geschätzt; auf der Kleidung prangen die drei Logos aus der Automobil- und Lebensmittelbranche. Preisgelder machen im Surfmarkt den geringsten Teil aus. Köster ist der einzige deutsche Surfer mit diesen vergleichsweise hohen Einnahmen. Die Verträge handelt seine Mutter Linda aus, aber Philip sitzt mit in den Verhandlungen: „Ich bin nicht gierig, aber ich weiß, was ich verlangen kann.“ Sein Vater Rolf ist Trainer; als Begleiter auf langen Reisen hat er ausgedient. Philip Köster ist nun meist allein unterwegs: Die Abnabelung hat begonnen.

Er hat sich in seinem dritten Profijahr nicht nur als Surfer weiterentwickelt. Im ersten schnupperte er rein und gewann überraschend, 2012 schon ziemlich sicher. In diesem Jahr dominierte er die Konkurrenz auf Teneriffa, in Klitmöller erlebte er das unbekannte Gefühl des Verlierens: „Gehört dazu, ist aber nicht schön“, sagt er. Doch die Erwartungen ändern sich durch die eine Niederlage kaum. „Philip wird das Wellenreiten in den nächsten Jahren dominieren“, sagt der lange Jahre beste deutsche Surfer, Bernd Flessner. Auch Naish sieht das so: „Philip ist stärker als der Rest und springt höher.“

Köster sagt bescheiden: „Meine Stärke ist, dass ich in Gran Canaria jeden Tag fünf Stunden lang bei guten Bedingungen trainieren kann.“ Sein wuchtiger Körper hilft ihm, lange bei viel Wind und hohen Wellen auf dem Wasser auszuhalten.

Als Achtjähriger begann er am Playa de Vargas auf Gran Canaria mit dem Surfen; dorthin waren seine Eltern von Hamburg ausgewandert. Und dort fühlt er sich immer noch am wohlsten. Eins mit den Elementen der See. Philip Köster macht eine echte Verwandlung durch, wenn er die Klamotten wechselt: vom rundgesichtigen Allerweltteenie mit Baseball-Cap zum Allwettersouverän in Neopren.

Obwohl er auch auf anderen Feldern Fortschritte gemacht hat. Früher waren Interviews zähe Angelegenheiten, und man merkte, dass sich Köster nicht wohlfühlte in der Rolle des Ausgefragten. Als Star sieht er sich heute auch noch nicht, aber alles geht ihm leichter von der Hand: der Aufsager fürs lokale Radio, das Handyfoto mit weiblichen Fans, die Signatur in seinem gerade erschienenen Buch „Der Überflieger“. Mit 19 schon Held einer Biografie, ziemlich früh, oder? „Ich wurde gefragt, und dann habe ich es gemacht“, sagt Philip Köster in seiner entwaffnenden Art, kichert – und schiebt nach, als sei das nicht längst jedem klar: „Aber am liebsten bin ich am Strand!“

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